FUCK THE POLICE ACAB
In Riesenlettern prangte es an der Wand. In einer Großstadt wie Berlin oder Hamburg hätte das niemanden interessiert. Aber hier, in diesem winzigen Kaff war das anders. Bernd wusste schon jetzt, wie die Schlagzeile der morgigen Ausgabe lautete: <Linksextreme Autonome beschmieren Dienstgebäude der örtlichen Polizeibehörde!> Irgendwas in dieser Richtung auf jeden Fall!
Bernd lief an den kopfschüttelnden Passanten vorbei, die immer zahlreicher das Revier belagerten.
In seinem Büro wartete schon sein Vorgesetzter auf ihn. Bernd mochte den jungen Schnösel nicht, der direkt von der Polizeihochschule aus, seine Karriere gestartet hatte. Bernd Kortner würde bald sechzig werden und in ein paar Jahren seine Pension antreten. Er wollte diese verbleibende Dienstzeit in Ruhe verbringen. Heiko Claassen nahm auf solche Befindlichkeiten kaum Rücksicht.
„Haben sie diese Schweinerei schon gesehen? Das muss unbedingt aufgeklärt werden. Sie kennen sich doch mit solchen Leuten aus, Kortner. Ich will, dass sie dieser Sachbeschädigung nachgehen!“
Bernd hatte keine Lust, sich mit Claassen auf eine Diskussion einzulassen. Deshalb erwähnte er nicht, dass er sich sehr wunderte, als letztens SS-Runen auf die Schaufensterscheibe eines Kebab-Imbisses geschmiert wurden. Dies fiel nämlich unter den Tisch, da Claassen den Vorfall gleich als Dumme Jungen Streich klassifizierte. Der Bulle nickte nur. Sein Chef wusste, dass er sich mit problematischen Heranwachsenden auskannte, wie er Jugendliche bedeutungsschwanger nannte. Bernd dachte an Mia, die zu den wenigen Punks in dieser biederen Kleinstadt gehörte. Es waren Jahre vergangen seither. Jahre in denen sie sich auseinander gelebt hatten, im wortwörtlichen Sinn. Mia studierte nun in Tübingen Kunstgeschichte, während er seiner Pensionierung entgegen fieberte. Es war schon krass, wie es Mia ausgedrückt hätte. Was sie wohl so machte? Vielleicht sollte er sie mal anrufen.
Bernd schrieb einen Bericht über das illegale Graffiti, der wohl schnell bei den Akten landen würde.
Claassen bestand aber darauf, dass sich Bernd in den einschlägigen Lokalen umhören sollte. Missmutig setzte er sich in sein Privatauto, parkte es etwas abseits der kleinen Kneipe. Das ‘Wilde Herz‘ war ein Treffpunkt der alternativen Szene, für den kleinen, übrig gebliebenen Rest davon. Laute Musik wummerte ihm entgegen, dicke Rauchschwaden nahmen dem Bullen die Sicht. Die Raucherkneipe schien eine Insel der Unangepassten zu sein, inmitten einem Ozean aus Gleichförmigkeit und Selbstkasteiung. An einem Tisch saß eine junge Frau, die ihm bekannt vorkam. Sie trug ein enges, bedrucktes T-Shirt mit einem besonderen Motiv. Ein Musiker zertrümmerte seine Bassgitarre, darüber stand der Name seiner Band – The Clash. Die mittelblonde Frau drehte sich zu ihm, lächelte ihn freundlich an. Der Bulle strahlte, als er erkannte, dass sie es wirklich war. Er setzte sich zu ihr an den Tisch. Mia zog an ihrer Zigarette, während der Bulle sie neugierig musterte.
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