Miri und die Wuchtbrumme

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Miri und die Wuchtbrumme

Miri und die Wuchtbrumme

Anita Isiris

Wenn er sich etwa vorstellte, wie seine Miri sich bückte, nackt, und ihm ihre zarte Pflaume darbot. Wenn er sich, oh Sünde, gar vorstellte, wie einer der Bauern an ihr zugange war, mit ihm, Stefan, als schweigendem Beobachter, am Bettrand sitzend und die Hand der hochrot angelaufenen Miri haltend. Miri sah es etwas weniger eng, sie bedauerte die Schamhaftigkeit ihres Ehemannes sogar. Sie war schliesslich einmal, in sehr früher Zeit, die Eva gewesen, und sie hatte für etwas gestanden, das der Welt zunehmend abhandenkommt: Für Liebe, Zärtlichkeit, Freundschaft, Fürsorge und Wärme. Für weibliche Eigenschaften also, die in aktueller Zeit immer öfter von hauptsächlich islamischen Regierungen, aber auch in katholisch durchseuchten Ländern mit Füssen getreten werden.

Dennoch war Miri ausgesprochen bibelfest und verbrachte die Zeit vor dem Einschlafen Abend für Abend mit dem Lesen von Psalmen, während ihre Altersgenossinnen sich andernorts damit vergnügen, Tiktok zu scrollen, bis auch sie der Schlaf übermannt.

Dann war er da, Miris Geburtstag. Dank der Begegnungen im Greb, der Dorfkneipe, hatte sich das Datum rasch herumgesprochen. Der 15. April war ein strahlender Sonntag, und Stefan überraschte seine Miri mit einem selbstgebackenen Schokoladekuchen und frisch aufgebrühtem Kaffee. Überglücklich fiel ihm seine Gattin um den Hals, und er genoss die Wärme ihres Körpers, die durch den dünnen Stoff ihres geblümten Nachthemds hindurch auf ihn abstrahlte. Miri. Dann verschlug es beiden die Sprache. Als sie vor die Tür traten, sahen sie die Geschenke, die sich auf der kleinen Holztreppe, die hinunter zum Strässchen führten, in grosser Zahl türmten. Da stand zum Beispiel ein grosser Sack mit Mehl, eine Pretiose erster Güte, weil im Winter die Zufahrtsstrasse oft nicht passierbar war und man rechtzeitig Vorräte anlegen musste. Mehrere Gefässe mit Honig von Sepp, dem Imker. Butterfässer, bestimmt von Kunos Frau, die auch Bergkäse an die Wanderer:innen verkaufte.

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