Möchtegern Minister

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Möchtegern Minister

Möchtegern Minister

Claudia Carl

In der linken Ecke auf den schimmligen Matratzen ragt ein nackt nackter Riesenbauch in die stickige Luft. Der Typ, dem er gehört, hat sich auf die linke Seite gedreht und seinen Kopf auf die linke Hand gestützt. Aufgrund der Fleischmasse allerdingst bleibt der Bauch trotzdem in der Mitte. Der Mann ist oben herum völlig nackt, nur eine pink farbene Krawatte hängt locker um seinen Hals. Er trägt eine blaue Unterhose, die er unter seine Eier geklemmt hat und reibt mit der rechten Hand an seinem nur mittelharten Schwanz. Die Szene mit dem jungen Kerl und den zwei Mädchen links von ihm, an der er versucht, sich aufzugeilen, scheint nicht 100prozentig zu wirken. An den Füßen trägt er Socken, ebenfalls blau und somit passend zur Unterhose. An seiner Seite zusammengeknüllt liegt ein einstmals gebügeltes und gestärktes Herrenhemd.

Eigentlich ist mir danach, rückwärts wieder die Stufen hinunter zu gehen. Denn der Mann mit den beiden Mädchen ist zu jung, um mich ins Trio aufzunehmen, vermute ich. Und der Voyeur, nun ja. Was mich aber dann doch zum Weitergehen bewegt, sind seine Lippen. Diese dicken Lippen, die aussehen wie frisch vom Hässlichkeitschirurgen aufgespritzt, die auch noch so seltsam schief sind, als habe der Chirurg sich auf der einen Seite heftig vertan. Diese Lippen sind der Mittelpunkt des nackten Kopfes, an dem nur noch ein spärlicher Haarkranz prangt, und die kleinen Augen scheinen irgendwie falsch. Meine Wahrnehmung sagt mir, dass in diesem Gesicht etwas fehlt. Wie komme ich nur darauf? Ich klettere weiter hoch, der Fette dreht nun den Kopf zu mir und seine aufgeplusterten Lippen öffnen sich zu einem schrägen Grinsen. Wie automatisch wichst er etwas schneller, als er mich sieht. Und ich lächele. Ich lächele einladend, obwohl mir übel wird. Aber ich hatte gerade eine Erkenntnis. Der Fette ist jemand, den ich kenne. Nicht persönlich. Aber doch habe ich ihn sehr sehr oft gesehen. Und ich kenne sogar seine pinke Krawatte, denn die trägt er mit Vorliebe.

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Gedichte auf den Leib geschrieben