Als Myrina, der kleine Liebling der Schamanin, zu ihr kam, um zu melden, dass das Mannstier wach sei, hockte Otrere auf dem Boden ihrer Hütte und zerhackte mit einem scharfen Messer einige der in der Morgendämmerung gesammelten Pflanzen auf einem Holzbrett. Auf einem kleinen Herd in der Ecke köchelte ein Sud in einem kupfernen kleinen Kessel. Otrere richtete sich auf, nimmt ihren Kräuterhack und schiebt mit dem Messer die zerkleinerten Pflanzenteile in den heißen Sud. Die grüne Flüssigkeit schäumte auf, aber ohne den Rand des Kessels zu erreichen. Die Schamanin hatte bereits in der Nacht den Kräutersud angesetzt, nachdem ihr berichtet worden war, dass Eloa und Arina mit einigen weiteren Frauen frisches Mannesfleisch in das Tal gebracht haben. Sie würden diesen Trank mit Sicherheit in den nächsten Wochen brauchen, so sagt es ihre Erfahrung. Das Rezept hat sie von ihrer Mutter, die es wiederum bereits von deren Mutter kannte. Das Geheimnis wird streng gehütet, aber seit Generationen von Schamanin zu Schamanin weitergegeben.
Eloa hatte das Mannstier in der Pfahlhütte auf der Lichtung untergebracht. Dort konnte man es gut unter Kontrolle halten. Eigentlich erwartete Otrere, dass dieses Mannsstück länger schlief von der Wirkung des betäubenden Elixiers, das sie Eloa und Arina mitgegeben hatte. In Gedanken versunken, stand Otrere am Herd und rührte in dem Kupferkessel, um ein Verkochen und Einbrennen zu verhindern. Wann war es eigentlich das letzte Mal, dass sie diesen Geilsaft gemischt und gekocht hatte?
Sie überlegte: Die kleine niedliche Tarami stammt aus dieser Brunft. Sie erlebt jetzt gerade den dritten Sommer, seitdem war kein Mannesfleisch mehr im Tal gewesen. Es wurde also Zeit. Darauf hatte Otrere sehr deutlich im Ältestenrat hingewiesen – und Oroka hat ihre beiden Töchter wohl scharf gemacht, etwas zu unternehmen. Kurz nach Mitternacht war sie geweckt worden und hatte sich sogleich an die Arbeit gemacht.
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