Nach Feierabend

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Nach Feierabend

Nach Feierabend

Chloé d'Aubigné

Als wir uns trafen, war wenig von jener eingespielten Routine zu spüren, kein Tanz aus Andeutungen. Eher war es eine vorsichtige Annäherung, zögerlich, beinahe unbeholfen. Aber diese Unsicherheit erregte mich, viel mehr als alles Abgebrühte davor. Ich mochte, wie seine Stimme leise wurde, wenn es um Wichtiges ging. Irgendwann war ich es leid, noch länger auf Knistermomente zu warten, und lud ihn – völlig unpassend, wie ich fand, und doch ganz folgerichtig – auf ein weiteres Glas Wein ein, doch diesmal zu mir.
Dort, in meiner viel zu ordentlich aufgeräumten Studentenwohnung, lag ein Moment schwerer, neugieriger Stille zwischen uns. Der Klang unserer Stimmen war leiser geworden, unsere Bewegungen vorsichtiger, als hätten wir Angst, das Unausgesprochene zu zerbrechen. Das Licht war warm – es streifte sein Gesicht und ließ feine Schatten auf seinem Kinn tanzen.
Ich war es, die den Abstand zwischen uns überbrückte. Mein Puls klopfte hörbar an meinen Schläfen, die Aufregung prickelte auf meiner Haut. Als ich ihn küsste, zögerte er erst – überrascht von der Entschlossenheit. Aber kaum spürte er, wie ich sein Gesicht in meine Hände nahm, wurde aus seinem Zögern Wärme und seine Hand streichelte erst zaghaft, dann schon bald selbstbewusst meinen Nacken.
Er roch nach Terpentin, nach Atelier und heimlich gerauchten Zigaretten. Seine Hände waren groß, aber anfangs unsicher, und gerade diese Unsicherheit war ungeheuer sinnlich. Als ich begann, ihm Schicht für Schicht das Alltägliche abzunehmen – Hemd, T-Shirt, die kleine Unordnung seines Tages – wurde jede Berührung zum Versprechen: behutsam, unaufdringlich, aber voller Erwartung.
Ich zog ihn zu mir, spürte, wie der Ernst aus seinen Augen wich, wie ein leises Lächeln an seinem Mund spielte. Während ich ihm Stück für Stück die Kleidung abnahm, glitten meine Finger wie zufällig über seine Haut, verweilten auf den kleinen Farbflecken an seinem Arm; ich liebte, wie seine Atmung unter meinen Händen kurz stockte und dann tiefer wurde.
Kein hastiges Entkleiden, kein plötzlicher Rausch – alles geschah langsam. Ich ließ meine Lippen an seinem Schlüsselbein verweilen, spürte den feinen Salzgeschmack seiner Haut, die leichte Gänsehaut, die unter meinen Berührungen aufstieg. Er streichelte meinen Rücken, ungeschickt, manchmal zu zart, und genau das ließ mich lachen und mich noch mehr an ihn schmiegen.

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Genau.

schreibt Bernard

Ach, das wär's.

Gedichte auf den Leib geschrieben