Nach Feierabend

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Nach Feierabend

Nach Feierabend

Chloé d'Aubigné

Ich verlasse an diesem Nachmittag meinen Schreibtisch ein gutes Stück früher als üblich. Noch immer kann ich nicht anders, als mir dabei ein kleines Lächeln zu gönnen – weil ich weiß, dass dies ein absoluter Luxus ist. Weil es sich so sehr nach Freiheit anfühlt. Vor allem, weil es sich so anders anfühlt, als das, was für mich jahrelang Normalität war. Ja, es ist so ganz anders als damals, in den Jahren meiner Kanzleizeit. Damals war ich froh, wenn ich um 18 Uhr Feierabend machen konnte. Und das ging auch nur, wenn ich Glück hatte und gut durch den Tag gehetzt war. Doch mittlerweile gab es keinen Grund zur Hast mehr, auch keinen hektischen Blick alle paar Minuten aufs Handy in Sorge, ob nicht doch noch eine Deadline aufpoppt. Oder eine E-Mail eintrifft, die man sogleich beantworten muss. Seit ich in der Verwaltung arbeite, ist der Feierabend etwas Planbares. Vor allem ist er etwas, das wirklich frei ist. Für mich ist dies immer noch ein wenig faszinierend, aber ich habe mich daran gewöhnt. Und ich nutze es aus, weil ich es kann. Und weil ich es darf. Ja, ich weiß, das passt zum Bild der Staatsdiener, die angeblich viel zu viel Freizeit haben. Aber das ist mir egal. An manchen Tagen, wie heute, koste ich diese Seite von meinem Job voll und ganz aus.
Mit jedem Schritt, der mich weiter von meinem Arbeitsplatz wegführt, fühle ich mich freier. Die Luft draußen scheint mich zu umarmen, die Szenerie im Park ist nahezu kitschig, aber für mich einfach nur perfekt. Ich atme den Duft von frisch gemähtem Gras tief ein, genieße das leise Plätschern des Brunnens in der Ferne und lasse mich von den Sonnenstrahlen verwöhnen, die zögerlich durch das Laub fallen. Es wirkt fast, als wollte mich die Natur für meine Entscheidung belohnen, heute sie zu genießen anstatt mich in Arbeit zu verbuddeln.
Passend dazu trage ich heute ein bequemes Sommerkleid. Es zwickt nirgendwo, schwingt leicht um meine Knie, umspielt meinen Körper – und passt einfach zu dieser neuen Leichtigkeit, die ich nun in meinem Leben zulasse. Und diese Leichtigkeit, die fühlt sich echt an. Nicht wie eine Rolle, die ich nun spielen will, sondern ganz authentisch. Ich fühle, dass ich glücklich bin. Dass ich angekommen bin. Dass ich nun an einem Ort bin, an dem sich nicht jeder Tag wie ein Wettlauf anfühlt. Dass ich nun wirklich Ich sein kann.

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Genau.

schreibt Bernard

Ach, das wär's.

Gedichte auf den Leib geschrieben