Hallo, Herr K.! Haben Sie vielleicht den Ball meiner Jungs gefunden? Sie haben ihn gestern Abend wieder über die Hecke geschossen.
Das war nun nichts Besonderes. Warum er so erschrak? Weil seine Nachbarin nicht, wie sonst, über den Zaun hinweg fragte, sondern in der Tür zu seiner Werkstatt stand.
Nun kam esschon gar nicht vor, dass überhaupt jemand hier eintrat, denn seine Frau weigerte sich konsequent, diesen staubigen Saustall zu betreten, worin er ihr nur zustimmen konnte. Es war eine ausrangierte Garage, rückwärtig unter dem Haus, ein Kellerloch quasi, Baustoff-, Material- und Restelager gleichermaßen wie Werkraum und Planungszentrum. Hier Ordnung zu schaffen war ein jährlich wiederkehrendes und stets uneingelöstes Gelöbnis für die Wintermonate.
Und nun stand sie ausgerechnet hier.
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Die Nachbarin schlechthin gibt es ja nicht. Nachbarinnen sind gefährlich oder auch nicht.
Da war zunächst die alte, gramgebeugte, wortkarge Dame im Norden, die sich redlich mühte, den Anforderungen des Alltags nachzukommen. Gelegentliche Hilfsangebote nicht anzunehmen, war Teil ihrer Selbstachtung.
Im Westen, auf der anderen Straßenseite lebte eine attraktive Mittvierzigerin von absolut verwechselbarem Äußerem. Sie gewann Konturen allein durch den cholerischen Idioten, den sie unlängst geehelicht hatte und erkennbar uneingeschränkt vergötterte. Spätes Glück fordert wohl seinen Preis.
Im Osten, hinter seinem Haus, hatte er das regelmäßige Vergnügen, seine türkische Nachbarin zu erleben, die gern bauchfrei trug und ihren gepiercten Nabel präsentierte oder sich neben ihren Teenie-Töchtern im Bikini sonnte. Von wegen fehlende Integration: wenn sie mit den Töchtern schimpfte, tat sie das immer auf Hochdeutsch, das wirkte Iehrermäßig und wurde ernster genommen als die mit ihrem Ehemann noch gepflegte Muttersprache. Dieser, ein sanfter Riese, war, um ehrlich zu sein, mit seinen drei aufmüpfigen Weibern schlicht und einfach vom Schicksal geschlagen.
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