Nachbesprechung mal anders

Manchmal kommt es anders als erwartet

48 20-32 Minuten 2 Kommentare
Nachbesprechung mal anders

Nachbesprechung mal anders

Jo Diarist

Aus den Augenwinkeln sehe ich noch die bestätigende Geste von ihm, bevor ich in den Flur trete.
Lilly hat versucht ihre Frisur zu richten, doch so wie bei unserer Ankunft ist es ihr nicht gelungen. Ihr Kleid – mehr hat sie ja nicht an – sitzt dagegen tadellos und irgendwie hektisch versucht sie in den Blazer zu schlüpfen.
Es gelingt ihr erst als ich helfe. Wir blicken uns an und ich sehe keinen Vorwurf in ihren Augen, aber den Wunsch schnell zu verschwinden.
Während der Fahrt erkenne ich, dass keine Mauer mehr da ist. Ich könnte sofort mit ihr reden, doch wegen der Kürze des Heimwegs wirkt es wie zwischen Tür und Angel, was ich für unklug halte.
Zu Hause angekommen verschwindet Lilly im Bad, schließt aber nicht ab. Ich folge ihr nicht, setze mich ins Wohnzimmer und hoffe darauf, dass sie mir zu mir kommt, damit wir uns aussprechen können.
Sie tut es. Eine Flasche Wein in der Hand und zwei Gläser in der anderen, setzt sie sich neben mich und gießt uns ein.
Ohne mich anzublicken, trinkt sie hastig ein halbes Glas und starrt dann auf ihre Hände.
„Ich schäme mich so sehr“, gesteht sie mit weinerlicher Stimme.
„Weshalb?“, frage ich und streichle sie sanft.
Lilly wendet sich mir zu. Ein paar Tränen rinnen über ihre Wangen während sie erklärt.
„Weil ich mich so gehen lassen habe. Weil ich mich in diesem Moment mit Lust ausleben konnte. Aber du weißt, Wein enthemmt mich immer so.“ Sie schüttelt den Kopf und fügt hastig an: „Damit will ich es nicht entschuldigen. Ich habe den Wein getrunken, um genau das zu erreichen. Um dir deinen Wunsch erfüllen zu können, weil ich bei klarem Verstand sonst einen Rückzieher gemacht hätte.“
Ich bin verblüfft.
„Nur wegen mir hast du es getan?“
„Weil ich dich immer noch liebe und dich nicht verlieren möchte, obwohl ich nicht verstehen kann, warum du jetzt solche Wünsche hast.“
„Dann wäre es an mir mich zu entschuldigen“, antworte ich kleinlaut und greife zum Weinglas.

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Dankeschön!

schreibt Jo_Diarist

Nur keinen Druck @rockroehre, nur keinen Druck ;-) Ein bisschen Kitsch wirst du wohl ertragen müssen, denke ich :-) Also wenn du das Ende und eine Stelle ca. in der Mitte so empfindest. Da kommt wohl manchmal mein inners Sensibelchen durch, so nach der Art von Rosamunde Pilcher, hat eine Leserin mal gemeint. :-) Aber im großen Ganzen geht es so ähnlich weiter wie bisher. Ich hoffe ich vergraule dich damit nicht und VIELEN, VIELEN DANK für dein Lob!

Kompliment!

schreibt rockroehre

Ein herausragend gut geschriebenes Kapitel dieser Erzählung — vielen lieben Dank! Man darf gespannt sein, ob das Wegekreuz von hier ab zu einem weiteren Lesevergnügen führt, oder doch nur einmal mehr ins Tal der erdgeschichtlichen Probleme zwischen den Gipfeln Pathos, Kitsch, Pseudodrama und defekter Schalter für die Tränendrüse. Lieber Autor: ich zähl auf dich. Du hast dein Talent schon so oft bewiesen, dass ich mich eher wundern würde, wenn du dich in die alten Maschen vesrtricktest.

Gedichte auf den Leib geschrieben