„Oh la la, Mademoiselles! Ihr schmeckt beide sehr gut, wirklich lecker. Dennoch gibt es einen Tadel und er gilt Dir, Charlotte! Dieser Wildwuchs verunstaltet Dein reizendes Pfläumchen. Ich möchte so etwas nicht sehen, sage Dir deshalb: Der Busch muss weg!“
Ich blicke bedröppelt zu Boden, schäme mich entsetzlich. Karla hingegen scheint froh zu sein, dass sich nun alles auf mich konzentriert. Ich traue mich nicht meinen Rock über die Blöße zu ziehen, obwohl ich das am liebsten tun würde. Alle starren mich an, oder vielmehr meinen dichten Pelz! Endlich durchbricht Madames Stimme die unangenehme Stille.
„Charlotte, Du wirst gleich nach Unterrichtsende zum Nachsitzen hier bleiben! Es wäre ja gelacht, wenn aus Dir nicht ein adrettes Mädchen wird. So ein hübsches Ding sollte nicht wie ein zottliger Bär herumlaufen!“
Kaum dass sie die Standpauke beendet hat, legt sie verschwörerisch den Arm um Karla.
„Du bleibst ebenfalls hier! Ich brauche Dich als meine Assistentin!“ Karla macht einen gekonnten Knicks, ohne dabei den Rocksaum loszulassen. Sie scheint sich zu freuen, wohingegen bei mir die Skepsis überwiegt. Endlich schickt uns Madame auf unsere Plätze. Ich bringe sofort den Rock in Ordnung, ziehe eilig den Slip nach oben. Antonia knufft mich, worauf ich sie anfahre: „Danke dass Du mir einen Friseurtermin verschafft hast! Wirklich nett von Dir!!“ Sie lächelt unschuldig, greift unter meinen Rock. „Na ja, es ist schon etwas unübersichtlich hier unten…“ Ich muss lachen, weil sie ja Recht hat. Sie durchdringt den Dschungel ohne Machete, schlüpft lautlos in den dunkelsten Teil. Madame erläutert gerade die wichtigsten Etappen im Leben der Schriftstellerin, erzählt von deren Affäre mit Henry Miller. Ich lasse mich lieber hier und heute befingern, unter der Schulbank vor allen versteckt. Gerade als ich am Kommen bin, läutet es. Heute scheint nicht mein Tag zu sein. Antonia schenkt mir ein bedauerndes Grinsen, bevor sie mit den anderen das Zimmer verlässt.
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