Nachtportier

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Claudia Carl

Ihre warmen Betten daheim sind weit weg in fernen Städten, wo heute Nacht ihr Haushund einsam schläft, die Zeitung unberührt an ihrem Stammplatz liegt, die lieben Gewohnheiten nicht wie sonst von der Decke tropfen. Stattdessen liegen sie auf Eis, erstarrt.
Ihr Fett-Schlieren-Triefen haben die Gäste ins Hotel gebracht, kleben es an die saubere Zimmerwand, pissen es ins Porzellanbecken, spucken es über die Teller mit Obst, die in jedem Zimmer stehn.
Staubig ist die Luft an der Rezeption. Schorschi atmet sie ein. Vor ein paar Tagen hat er Evi den Laufpass gegeben. Wie eine Furie hatte sie ihn mit Eifersucht verfolgt. Doch schon heute morgen schwappte die Einsamkeit schwer über ihn. Nur seine Gitarre leistete ihm noch Gesellschaft, als er nach Dienstschluß um 6 Uhr mit der U-Bahn zum Bahnhof fuhr, mit dem Zug nach Hause, wo er in sein altes Zimmer bei seinen Eltern kroch. Den Rolladen herunterließ und sich ins Dunkel verzog, während die Hotelgäste im Frühstücksraum jetzt die Sonne in ihre Augen blinzeln ließen.
Wie er sie hasste, diese Menschen, die ihren Schlaf auf ihm abluden. Wie ein dummer Esel zog er den Karren von 22.30 Uhr an durch die Nacht, bis um 6 Uhr früh, wenn seine Chefin, frisch ausgeruht, den Kaffee und die ersten Zeitungszeilen schon verschlungen, munter vor ihm stand. Dann durfte er davontrotten, seine altersschwache Gitarre in der Hand, auf deren heiseren Saiten er nachts einer Zukunft als großer Musiker entgegenspielte. Am nächsten Abend dann wieder reinfahren in die Stadt, ohne die warmen, feuchten Zwischenstopps bei Evi, die seine Liebeserklärungen aufsaugte wie eine in der Wüste verdorrte Pflanze. Ihn dafür in sich ließ, wo er explodierte, sich vergessen konnte. Danach aus dem Unterleib dieses Streicheln in sich verspürte, das er brauchte, um wieder unter ihnen existieren, unter ihnen vegetieren zu können. In der Hotelhalle, über sich 45 Schläfer, deren ausgeatmetes Kohlenmonoxyd ihn langsam, aber sicher vergiftete.

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