Rot leuchtete das Instrument hervor. Die Frau senkte ihren Blick hinein, hob ihn auf. Da haftete er. Jetzt öffnete sie den Mund und fragte
- Warum?
Wieder benutzte er den entschuldigenden Ton.
- Sie gefallen mir, sagte er, wackelte mit dem Kopf.
Tut mir leid, ich falle vor Ihnen auf die Kniee, ich bete Sie an, wenn ich Sie nur berühren darf, fügten seine grünen Pupillen hinzu.
Die Gedanken der Frau hüpften hin und her. Ein staubiger U-Bahnsteig, ein junger Mann, eine etwas ältere Frau (Wohin fahren Sie jetzt? Darf ich Sie zu einem Kaffee einladen?), ein gelber Freitag Abend, auf den rotes Blut tropfte. Gefräßigkeit in ihrer Gebärmutter.
- Was soll ich tun, Ihnen meine Handynummer geben?
- Nur, wenn Sie wollen.
Wohin fahren Sie? Lehel. Oh, da arbeite ich. Heute Nacht. In einem Hotel. Ich finanziere mir mein Musikstudium. Liebigstraße. Werden Sie mich besuchen? Heute Abend?
- Vielleicht, sagte die Frau.
Ja. Essen, endlich wieder einmal essen. Hunger drang aus jeder ihrer Poren, Hunger, der roch, der Tiere auf ihre Fährte lockte. Hunger vom Mund hinab in einen endlosen Rachen, der bis ans andere Ende ihres Körpers reichte. Ein leeres Röhrensystem, das verschlossen werden musste, gestopft, gekittet, bevor es zum Schlund würde, der alles Männliche um sich herum verschlang.
Mit Eulenblick starrt er, als sie vor die Holztheke tritt. Es ist 23.30 Uhr.
- Grüß Gott, hat sie beim Hereinkommen gerufen. –Haben Sie noch ein Zimmer frei?
- Grüß Gott, hat er zurückzuckend geantwortet.
Dann hat er sie erkannt, sich erhoben, seinen Strickpullover jungenhaft über die schmalen Hüften fallen lassen.
Sein Haar streichelt sein Gesicht, obwohl er es mit einem Haargummi zurückgebunden hat. Eine kitzelnde Durchblutung macht sich in seinen Beinen breit. Sie legt ihren Mantel ab.
- Komm doch hinter die Theke, fordert er sie auf. Der Fernseher läuft leise.
- Möchtest du etwas trinken, fragt er, ohne den Kopf zu heben. Seine Blicke kleben an den schwarzen Strümpfen fest.
- Du bist sexy, haucht er. Seine Worte kringeln sich in seinen Locken, tanzen in die Ohren der Frau. Sie wird hautig, ein zartes Rose zieht über alles, was an Nacktheit aus ihr schaut.
- Ich möchte schöne Sachen mit dir machen.
Er beugt sich über ihren Stuhl, tänzelt mit seinem Mund vor ihrem.
- Gibst mir a Bussi?
Sie weitet die Augen gierig und saugt seine Lippen in sich auf.
- Warum tust du das? fragt er, besoffen von seinem Erfolg.
Sie zieht seinen Hals zu sich herunter.
Es wird ein Fressen.
An der Rezeption.
In der Eingangshalle.
Im Frühstücksraum.
Auf dem Sofa.
Auf dem Teppich.
Im Flur zu den beiden leeren Zimmern.
Und auf den angewärmten Laken in Zimmer 410, zurückgelassen vom Strohhalmhaargast, der die blubbernde Heizung nicht ertragen und ein anderes Zimmer bekommen hat. Sie schlingen einander in sich hinein, sättigen sich.
Auf den Laken liegt Schorschi vor ihr, schaut aus seinen Haaren hervor zu ihr hinauf.
- Werden wir uns wiedersehen? fragt er.
- Vielleicht, sagt sie.
Es wird langsam hell.
Nachtportier
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