Nachtportier

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Nachtportier

Nachtportier

Claudia Carl

Schwere Leiber liegen über der Zimmerdecke, schwitzen ihre Existenzen in die Betten. Sie haben den Raum erobert, atmen die Luft, die vom Frühstücksraum nach oben zieht, das Treppenhaus entlang, auf grünen Teppichen und an kalten Wänden empor. Sie haben bezahlt, um hier ihre Auren abzulegen, aus dem Holz die letzte Energie zu saugen, ihre Ausscheidungen im Röhrensystem zu hinterlassen. Gesichts-Monde gehen vor der Theke auf, begierig auf die silbernen Zimmerschlüssel, die entlang der Holzkonsole an kleinen Häkchen hängen. Ihre Augen stehen tot in der Luft, die Haare stecken strohhalmig in den Köpfen. Ihre Hirne liegen schon oben, während ihre Hand noch nach dem Schlüssel greift.
Es ist Nacht. Jeder hat seine Art, sie zu überleben. In sich hinein zu kriechen und den eigenen Herzschlag zu ignorieren. Im Dunkeln den Weg auf die fremde Toilette zu finden, Vertrauen in die kalt gestärkte Bettdecke zu versuchen, die Geräusche einer anderen Welt in Hirndateien abzulegen. Das Leben auf einer Spule aufgerollt im Gepäck, zusammengequetscht für eine Nacht, in den Schrank gelegt.
Der Nachtportier wacht über diesen Schlaf. Wer ein Problem hat, ist ein zehnfaches Kind, ein Balg, das getröstet werden muss. Es steht da mit der Macht des Materiellen, mit einem Ich-habe-ein-Recht auf Gehirnentspannung, mit einem hintergründig-traurigen Minuszeichen auf dem Konto. 240 Mark die Nacht.
Georg, genannt Schorschi, geht seinem Job mit sich entschuldigender Ruhe nach.
- Dürfte ich bitte den Namen nochmal erfahren, fragt er, wenn ein Gast den Schlüssel für sein
- Zimmernummer verlangt.
- Es tut mir leid, ich muss das fragen.
- Schon recht, würgen die Schlafdurstigen heraus.
Sie hassen es zu reden rund um die Verrichtung ihrer Notdürfte. Ruhe-Notdurft, Sich-Betten-Notdurft, am Morgen einen frischen Kaffee serviert bekommen-Notdurft.

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