Die Nachtschicht war pünktlich

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Die Nachtschicht war pünktlich

Die Nachtschicht war pünktlich

Anita Isiris

Und, ja, ich hatte Macht über Tamara, vollkommene Macht. “Power for its own sake”, wie George Orwell sich ausdrücken würde. Sie war mir auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, und ich konnte ihre Beurteilungsblätter nach Lust und Laune manipulieren. Ich konnte so ihre Launen steuern, auf ihre Befindlichkeit Einfluss nehmen. Ich konnte sie zum Weinen bringen (Tamara war ausgesprochen sexy, wenn sie weinte). Ich konnte ihr das Wochenende versauen und ihr den Schlaf rauben, wenn sie nach dem Spätdienst endlich übermüdet im Bett lag. Ich konnte ihre Seele aber auch streicheln – mit einem spontanen positiven Feedback. Ich konnte sie aufmuntern („diese Blutentnahme hast du perfekt hingekriegt, meine Liebe“) und verlegen machen – wenn ich beispielsweise einen Sport-BH in ihren Garderobenschrank schmuggelte. Unsere Spinde standen direkt nebeneinander, und ich kannte Tamaras Unterwäsche sehr genau. Sie trug meist unspektakuläre blaue oder schwarze Baumwollslips, die ihr stets zwischen die üppigen Pobacken rutschten, und sie liebte offenbar Schalen-BHs, die ihre Oberweite stützten. Den Wunsch, der in mir heranreifte, verdrängte ich vorerst mal mit aller Vehemenz. Nein, das durfte ich nicht! Ich hatte das Recht, streng zu sein zu Tamara und sie meine absolute Macht spüren zu lassen. Aber als Betreuerin durfte ich sie keinesfalls einem Patienten oder Arzt ausliefern; als Frau war ich erst recht dazu angehalten, Tamaras Missbrauch zu verhindern. Es ging gerade noch an, wenn sich ein Patient zu ihrem Busen äusserte; auch ich bekam anzügliche Bemerkungen zu hören. Aber ich hatte die moralische Verpflichtung, Tamara zu schützen. Gleichzeitig brodelte das Alter Ego in mir: „Stell Dir vor, Anita, wie ein gut aussehender Assistenzarzt Tamara seinen Penis zwischen die Brüste schiebt! Stell Dir vor, wie sie sich in einem Patientenzimmer vögeln lässt, von zwei jungen Patienten und dem Chefarzt! Stell Dir Tamara in Action vor, mit verschwitzten Stirnfransen, schwabbelnden Brüsten und rotierenden Hüften! Hör sie stöhnen, langgezogen und tief… und beobachte, wie sie sich genussvoll windet...”

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