War ich krank? Ich wusste es nicht, wusste bloss, dass ich es tun musste. Ich musste Tamara in eine Situation bringen, in der sie nach Luft rang, schrie vor Lust und sich preisgab, egal zu welchem Preis.
Und die Gelegenheit kam rascher als erwartet. Ich hatte in Erfahrung gebracht, dass die Schülerinnen sich in der Lernwerkstatt mit dem Massagethema beschäftigten. Gleichzeitig lernten sie Kartoffel- und Zwiebelwickel anfertigen, und sie setzten sich mit den Rezepten von Maya Thüller auseinander. Ich musste für Tamara auf unserer Station eine Lernsituation schaffen – am besten mit einem jungen attraktiven Patienten, und mit Vorteil im Spätdienst, wenn es ruhig war und wir bloss zu zweit arbeiteten.
Es war Vollmond, und Adriano Enzo verbrachte seine letzte Nacht bei uns. Er war ein humorvoller Mann aus Kalabrien, und er erzählte gern Geschichten aus seiner Heimat. Mir war schon seit längerem aufgefallen, dass Tamara ein Herz hatte für ihn, und ich plante sie jeweils bewusst bei ihm ein – zur täglichen Pflege. Die beiden sollten ruhig etwas vertraut werden miteinander. Auch wenn Enzo nahezu selbständig war – es gab doch gelegentlich einen Verband zu wechseln (er lag wegen einer Malleolarfraktur bei uns), und Enzo liebte es, wenn Tamara ihm den Rücken wusch. “Kannst ihm ja mal eine Massage anbieten”, sagte ich in jener Nacht leichthin. Es war bereits nach 21:00 Uhr, genügend Zeit also, bevor Inge vom Nachtdienst ihre Schicht antrat. “Meinst Du...?” Tamara schaute mich erstaunt an mit ihren tiefbraunen Kuhaugen, aber ich vermeinte ein Leuchten in ihrem Gesicht zu erkennen. „Klar“; sagte ich, „ich werde mich im Beurteilungsblatt zu Deiner Massage äussern. Ihr lernt so was doch in der Schule, oder?” Tamara bereitete eine Lotion vor und wusch sich ausgiebig die Hände, und dies alles, bevor sie Adriano Enzo überhaupt angesprochen hatte. Sie schwelgte also in Vorfreude, und ihre fiebrige Erregung war gut zu spüren. Wenige Minuten später verschwand sie mit sämtlichen Pflegeutensilien in Enzos Zimmer. Adriano Enzo war Privatpatient und lag allein. Mit Herzklopfen wartete ich etwa eine halbe Stunde ab. Noch 35 Minuten waren übrig, bis die Nachtschicht kam.
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