Kurz darauf standen Nelly und ich im süßesten Zimmer, das man sich vorstellen kann. Eine blau geblümte Lampe hing von der Decke, zwei zierliche Kommoden schmückten die Wände, und darauf standen frische Kornblumen. Der mittelgroße Spiegel würde für uns beide reichen, für die Nelly und für mich, wenn wir uns vor dem ins Bett Gehen oder beim Aufstehen kurz begutachten wollten. Da standen zwei Betten. Nelly und ich würden uns also den Raum teilen. „Schön“, sagte Nelly mit ihrer freundlichen, hellen Stimme. Nur dieses eine Wort. „Schön“. Ich hätte sie umarmen können, das kleine Sonnenschätzchen aus Nordrhein-Westfalen. Bestimmt liebten die Männer sie über alles. Was Theo, der Mann von Martha Lenz, von ihr halten würde?
Martha ließ uns Zeit zum Auspacken und Einräumen. Wir holten unser spärliches Gepäck – ich hatte tatsächlich nichts anderes dabei als zehn Slips, fünf BHs, Strümpfe, einen warmen Pullover, vier Paar Jeans und einen Stapel T-Shirts. Hinzu kamen die üblichen Toiletten-Artikel und zwei Bücher, das eine davon wog schwer. Es handelte sich um ein neueres Werk von T. C. Boyle, meinem Lieblingsschriftsteller. Ich hatte den Eindruck gehabt, das Buch könnte hierhin passen. Heimlich beobachtete ich Nelly beim Einräumen ihrer Sachen. Sie hatte einen entzückenden kleinen Hintern, und wenn sie sich streckte, um ins obere Schrankregal zu gelangen, sah ich ihre schwarz gemusterten Strümpfe. Was war nur mit mir los? Ich kannte Nelly ja überhaupt nicht, und trotz meiner lesbischen Neigungen hatte ich mich eigentlich, gerade was Frauen angeht, sehr gut im Griff.
„Ich zieh mich noch rasch um“, sagte Nelly leichthin. „Recht hast Du“, sagte ich zu ihr. Klar. Sie wollte die Reiseklamotten loswerden und legte sich einen hübschen rosa Trainingsanzug auf dem Bett zurecht. Sie schlüpfte aus ihrem gelben T- Shirt. Wäre ich ein Mann, hätte sie sich keineswegs derart unbefangen bewegt. Schon nur diese Tatsache erregte mich ungemein. Das Prickeln zwischen meinen Beinen wurde stärker. Ich legte mich aufs Bett und starrte zur Decke. Lange hielt ich es nicht aus. Wie von unsichtbaren Fäden gezogen, wandte ich meinen Kopf in die Richtung, wo Nelly stand. Sie trug keinen BH und war obenrum nackt. Was für herrliche, herrliche Brüste! Schokobraune Brustwarzen, die wie zwei Haselnüsse hervortraten. Meine lieben Götter! Zeus, Jesus, Poseidon und wie ihr alle heißt! Welch ein Naturwunder wurde da erschaffen! Gut, konnte Nelly nicht Gedankenlesen. „Ich teile zu Hause mit meiner kleinen Schwester auch ein Zimmer“, sagte sie. Ich stellte mir vor, wie sie in Nordrhein-Westfalen lebte, mit Blick auf die Nordsee, gar auf Just oder Norderney vielleicht, in einem aufgeräumten kleinen Zimmer, mit blau karierter Bettdecke, und wie sie manch- mal auf dem Bett lag, im gelben Slip, ein Buch in der Hand, und sich geistesabwesend durch die Seiten blätterte.
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