Nerja

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Klick, Klick, Klick machte die Kamera. Ein Zugeständnis der digitalen Welt an ihre analogen Vorgänger. Dabei gibt es keinen Film mehr zu transportieren und die Ingenieure hatten die Aufgabe, das Geräusch so gut wie möglich zu imitieren. Eine digitale Kamera speichert die Bilder auf einer Karte. Und auf der wird jedes Pixel im Endeffekt in Nullen und Einsen umgewandelt.

Ich war an einem Abschnitt des Strandes, den ich mittlerweile als Lieblingslocation ausgesucht hatte. Der Strand bestand hier aus Steinen, groben Sand und massiven Felsformationen, die die Wellen in Jahrtausenden ausgewaschen hatten. Es gab bizarre Strukturen und Salzablagerungen, die von der Sonne angestrahlt wurden.

Ich war so mit Fotografieren beschäftigt, dass ich die junge Frau nicht bemerkte. Auf einmal kam sie auf mich zu gelaufen. Sie war sehr schlank, hatte schwarze kurze Haare, trug ein grünes Kleid und Schuhe mit hohem Schaft, die fast ein wenig an Springerstiefel erinnerten. Sie hatte ein sehr schönes Gesicht mit dunklem Teint. Dazu trug sie einen orangefarbenen Rucksack auf dem Rücken.

Als sie an mir vorbeiging, lächelte sie mir zu, sagte aber nichts. In meinen Augen passten die Schuhe nicht zum Kleid. Merkwürdige Kombination. Bestimmt war sie eine Engländerin. Auch ich habe Vorurteile.

Sie entfernte sich nicht allzu weit von mir. Nach ca. 12 bis 15 Metern hielt sie an, nahm den Rucksack ab und entnahm ihm ein großes Handtuch und legte es auf den Boden. Dann holte sie einen Bikini aus dem Rucksack. Ganz in Ruhe zog sie die Schuhe aus, streifte das Kleid über den Kopf, dann trennte sie sich von BH und Höschen. Es war ihr völlig egal, dass ich zuschaute. Sie stand kurz splitterfasernackt da. Sie war wirklich schlank, fast dünn, zwischen ihren Beinen war sie bis auf einen kleinen schmalen Streifen rasiert. Zu meinem Bedauern zog sie den Bikini an. Er war neongrün und passte gut zu ihrem schwarzen Haar.

„Wollen Sie nicht lieber mich fotografieren statt der blöden Felsen?“ rief sie herüber. Oh, wohl doch keine Engländerin. Ich ging zu ihr hin und stellte mich vor. „Ich heiße Nerja“ sagte sie. Ich schätzte sie so auf 25, 26 Jahre.

„Sie sprechen gut deutsch. Aber Sie sind keine Deutsche, oder?“

„Mein Vater ist Spanier, meine Mutter Deutsche. Ich fühle mich als Europäerin. Warten Sie, ich zeige Ihnen meinen Lieblingsplatz.“

Behände stand sie auf und legte sich auf einen glatten, schwarzen Felsen, der mit dem grünen Bikini toll harmonierte. Also, ehrlich gesagt, sie legte sich nicht einfach hin, sie posierte. Wie ein Profi. Ich machte ein Bild nach dem anderen. Mal lag sie auf dem Rücken, zog ein Bein an, winkelte ein Knie ab, dann legte sie sich auf den Bauch und kreuzte die Füße in der Luft.

„Arbeitest du als Model?“ wollte ich wissen.

„Nein, ich bin ein Naturtalent“ antwortete sie lachend.

>Vielleicht bist du beim Sex ja auch ein Naturtalent< dachte ich.

„Vorsichtig, ich kann deine Gedanken lesen. Und die sind ziemlich eindeutig“ rief sie. „Ich biete dir eine Wette an. Siehst du den Felsen da hinten im Wasser? Wir schwimmen um die Wette. Bist du eher da als ich, schlafe ich mit dir. Wenn nicht, gibst du mir deine Seele?“

„Nein danke, da habe ich gegen dich keine Chance. Ich kann mich gerade so über Wasser halten.“

„Schade“ sagte sie, stand auf, zog sich den Bikini aus und die anderen Klamotten wieder an. Sie hatte kein Problem damit, ihre Nacktheit zu zeigen. Sie nannte kleine, runde Brüste ihr eigen. Der Wind frischte gerade etwas auf und ihre Nippel standen deutlich ab.

„Ich muß los. Um Mitternacht bin ich wieder hier. Es ist Vollmond. Kommst du auch?“

Ich sagte spontan zu. Den ganzen Tag dachte ich über die merkwürdige Begegnung nach. Was sollte der Quatsch mit der Seele? Jedenfalls konnte es mir nicht schnell genug dunkel werden. Der Mond hatte bestimmt genug Kraft, um ein paar Fotos zu machen. Ich nahm die Kamera mit. Vorher lud ich noch den Akku auf. Als ich mir die Bilder anschaute, erlebte ich eine Überraschung. Der Felsen, auf dem ich Nerja in diversen Posen fotografiert hatte, war klar abgebildet. Von ihr keine Spur. Als wäre sie gar nicht dagewesen. Das war schon ein wenig unheimlich. Auch der Hinweis, dass sie Gedanken lesen konnte, machte mich stutzig, weil ich ja wirklich an Sex gedacht hatte. Vielleicht war es aber auch so eine Art Versuchsballon. Es war ja ziemlich wahrscheinlich, dass ein Mann beim Anblick dieser jungen Frau im Bikini an Sex dachte. Wenn ich ein schickes Auto sah, dachte ich ja auch daran, es zu fahren oder sanft über den Lack zu streicheln.

Mein Blick fiel auf einen Stapel Tarotkarten, die schon urlange in einer Schublade gelegen hatten. Ich weiß nicht warum, aber ich steckte sie ein.

Als ich zu dem vereinbarten Treffpunkt kam, war Nerja schon da. Es war böig und der Wind drückte die Wellen an den Strand.

Sie hatte zwei Handtücher und zwei Decken mitgebracht. Es war zu kalt, um sich auszuziehen oder einen Badeanzug zu tragen.

Ich fiel direkt mit der Tür ins Haus und fragte sie, warum sie auf den Bildern nicht zu sehen sei. Sie lachte. Ich wäre von ihrer Schönheit so geblendet gewesen, dass ich vergessen hätte, die Kappe abzunehmen. Das erste gab ich zu, das zweite war Unsinn, denn dann hätte ich nur schwarze Bilder gemacht. Aber die Felsen waren scharf abgebildet, nur Nerja fehlte.

„Dann gibt es nur eine logische Erklärung: Ich bin ein Vampir“ erklärte sie ernst, lachte dann. Ich fand es nicht so witzig, kam mir veralbert vor.

„Du spielst mit mir“ warf ich ihr vor. „Ich glaube auch nicht, dass du Gedanken lesen kannst.“

„Und ich glaube nicht, dass du das wirklich wissen willst“ sagte sie, kam auf mich zugerobbt und gab mir einen Kuß auf den Mund. Sie schmeckte gut.

„Ich habe hier einen Stapel Tarotkarten. Ich mische, sehe mir drei Karten an, lege sie verdeckt in den Sand. Ich denke an die drei Motive. Wenn du meine Gedanken lesen kannst und richtig liest, kannst du meine Seele haben.“

Nerja kniete sich hin und stützte die Hände auf die Oberschenkel. Sie sah einfach umwerfend in dem Mondlicht aus.

„Sei vorsichtig, wem du so etwas anbietest. Das kann richtig nach hinten losgehen. Aber ich bin einverstanden.“

Ich zog die Karten aus der Tasche und mischte ausgiebig. Dann bildete ich drei Stapel und entnahm jeweils die oberste. Es waren Die sieben Keulen, Der Tod und Der hängende Mann.

Ich legte die drei Karten mit der bedruckten Seite nach unten in den Sand. Dann dachte ich an die drei Karten. An die Sieben Keulen, den Tod und den hängenden Mann.

Nerja sah mich ernst an. Ich hatte das Gefühl, als würde es hinter meiner Stirn warm werden, aber das war sicher nur Einbildung.

„Der Deal gilt?“ fragte sie.

„Na klar.“ Ich war sicher, dass sie die Karten nicht erraten würde. Und für den unwahrscheinlichen Fall, dass sie es doch hinbekam: wie wollte sie meine Seele nehmen? Ich beschloss, diese Wettschuld dann einfach nicht zu bezahlen.

Nerja sah mich immer noch ernst an. „Sieben Keulen, der Tod und der hängende Mann.“

Das gab es doch nicht.

„Wie hast du das gemacht?“

„Ein Taschenspielertrick“ lachte sie, dann holte sie eine Flasche und zwei Pinnchen aus ihrem Rucksack. Eine dunkelrote Flüssigkeit war darin, die sie in die Pinnchen eingoss. Schmeckte wie Aufgesetzter Rumtopf, und schmeckte nach mehr. Wir wurden immer ausgelassener und der Körperkontakt wurde intensiver. Als die Flasche leer war, wankten wir in mein Apartment. In Nullkommanichts zog Nerja sich aus und warf mich aufs Bett. Es war Wahnsinn, was sie alles mit ihrem Mund anstellen konnte. Irgendwann steckte ich ihr meinen kleinen harten Freund in ihre feuchte Grotte. Es war wie im 7. Himmel. Ich fühlte mich wie ein außerirdisches Wesen, das es mit einer Göttin trieb. Mit jedem Stoß hatte ich das Gefühl, einen Kontinent ein kleines Stück zu verschieben. Die Intensität war unglaublich. Es kamen Laute aus ihrem Mund, die ich noch nie bei einer Frau gehört hatte.

Der Alkohol tat ebenfalls seine Wirkung. Bilder aus der Schulzeit tauchten vor meinem geistigen Auge auf, meine Eltern, Verwandte, die schon längst gestorben waren, Bilder von Urlauben, ehemalige Freundinnen, Autos, Haustiere.

Irgendwann schliefen wir erschöpft ein.

Als ich aufwachte, war ich allein. Kein Kaffeeduft weckte mich, nur Nerjas Parfum lag noch etwas in der Luft. Ich rief ihren Namen, bekam aber keine Antwort. Nackt lief ich durch das Apartment. Ihre Kleidung war weg und Nerja war verschwunden. Kein Zettel, nichts. Da entdeckte ich im Flur ihren orangenfarbenen Rucksack. Er stand neben einem Paar Schuhen auf dem Fußboden. Ich bückte mich nach ihm, aber er war leer.

Im Flur hing ein großer Spiegel an der Wand. Ich blickte hinein, als ich den Rucksack wieder abgestellt hatte. Bestimmt sah ich verkatert aus. Ich starrte in den Spiegel. Mein Herz setzte aus. Meine Augen weiteten sich. Ich hatte kein Spiegelbild mehr.

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