Mit wie vielen Männern Piera schon geschlafen hatte, wusste sie nicht mehr so genau. Es spielte eigentlich auch keine Rolle. Sie war unglaublich kess, unglaublich relaxed, was Männerbekanntschaften anging. Piera konnte sich das leisten – bei ihrem Aussehen! Sie liebte es, sich zu schminken, insbesondere die Augenpartie. Immer standen Cajal-Stifte und Wimperntusche auf ihrem Spiegelschrank rum, einem Schrank, der schräg in der Halterung hing – wie viel anderes in ihrer Altbau-Wohnung in Bern-Breitenrain.
Die Wohnung hätte dringend saniert werden müssen. Die Fassade bröckelte, diverse Abläufe waren verstopft und Piera hatte sich längst dran gewöhnt, dass auch der Thermostat der Gasheizung den Geist aufgegeben hatte. Der Durchlauferhitzer liess die Temperatur in der Wohnung so lange einsteigen, bis Piera einschritt und das kleine Pilotflämmchen löschte, das die alte Maschine in Betrieb hielt.
Piera war Verkäuferin im Migros-Laden gleich um die Ecke und es mag erstaunen, dass ihr wohl geformtes Hinterteil seine knackige Konsistenz über all die Jahre beibehalten hatte – trotz stundenlangem Sitzen an der Registrierkasse. Im Gegensatz zum Schicksal, mit dem andere Kolleginnen haderten, war ihr Arsch nie aus der Form geraten.
Piera war Realistin, was ihre beruflichen Aussichten anging, Träumerin, was Männer anging, Visionärin, was Sex mit ihnen betraf. Piera mochte auch Frauen, oh ja! Sie zeigte sich gerne am offenen Fenster, im Unterhemd, untenrum nackt, mal frisiert und mal nicht. Beobachter gab es zuhauf; die alten Häuser waren sehr eng ineinander gebaut – und man wurde als Bewohner zum unfreiwilligen Voyeur. Man brauchte bloss ans eigene Fenster zu stehen – etwa um sich an den Vorhängen zu schaffen zu machen – und schon konnte man einen Blick in gegenüber liegende Schlafräume, Toiletten und Küchen erhaschen.
Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.