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Ich war erschüttert. „Und warum bist Du nun mit mir geflohen?“
In diesem Moment brach Jill regelrecht zusammen. Aus den Tränen in ihren Augen und dem leisen Weinen wurden jetzt regelrecht Weinkrämpfe.
„Meine … meine … Schwester … ‚s tot, und ich … ich habe es nicht verhindern können …“
Ich hatte Mühe zwischen all dem Schluchzen die Worte zu verstehen.
Ich nahm sie in den Arm. „Tschhh, tschh, … ist gut, ich bin bei dir.“
In den nächsten Minuten erfuhr ich, dass sie nicht Wort gehalten hatten. Die Bedingungen in der Gefangenschaft blieben auch für Brooke unerträglich und vor etwa einem Monat hatte sie sich umgebracht. Sie war bei Erntearbeiten absichtlich durch den Sperrgürtel auf einen heranwankenden ‚Donald‘ zugelaufen, einfach so! Und bevor der Guard sie oder den Donald erschießen konnte, hatte sie sich beißen lassen. Da wurde sie endlich erschossen. Für Jill gab es danach keinen Grund mehr, in dieser ‚Fotzendiktatur‘, wie sie es ausdrückte, zu bleiben.
Es mag sich abgedroschen anhören, aber ich war in diesem Moment wirklich tief erschüttert. Was konnte man Menschen alles antun? Ich drückte sie an mich und hielt sie einfach lange in meinen Armen. Lange saßen wir regungslos da, bis sie halbwegs gefangen hatte.
Später, die Tränen waren versiegt, schaute sie mich an: „Und dann kamst du ins Spiel. - Willst du denn gar nicht wissen, warum ich mich auf der Tafel selbst ausgestrichen habe?“ Sie grinste mich mit ihrem trotz aller Verheultheit immer noch süßen Gesicht schief und auf Antwort heischend an.
Nun war es an mir, verlegen zu grinsen. „Du wolltest nicht mit mir schlafen?“
So nannte ich den ekelhaften Besamungsakt jetzt? Ich wunderte mich über mich selbst.
„Du bist ein Idiot, natürlich wollte ich das. Seitdem ich dich das erste Mal sah. Dich den selbstbestimmten ‚lonesome cowboy‘, sexy dein Sniper-Gewehr auf dem Rücken, wollte ich das. Aber doch nicht so!! Ich wollte nicht wie eine Zuchtstute auf ein Stück Fleisch gespießt werden. Und dann noch die alten vertrockneten Pflaumen Beth und Holly an meiner Seite. Schon am zweiten Tag fing mein Fluchtplan an in mir zu reifen, ein Grund mehr mich von der ‚Fickliste‘ zu streichen, die dieses verlogene Mistpack ‚Agenda der Ceres‘ nennt.“
Ich war perplex.
„Natürlich möchte ich mit dir schlafen, … immer noch“, fuhr sie unvermittelt fort.
„J ... J ... jetzt?“ Ich glaube, ich wurde sogar ein bisschen rot, während ich das sagte, aber sie würde es im Halbdunkel nicht sehen können.
„Hmmm“, sie nickte mit dem Kopf.
„Jill“, ich küsste sie auf die Stirn, „ich möchte das auch, schon seit Tagen, aber es soll nicht aus einer Laune heraus geschehen, nicht jetzt, wo ich alles in dir aufgewühlt habe, … Morgen?“
„Morgen!“, antwortete sie und küsste mich, aber nicht auf die Stirn, sondern richtig.
Wenig später lagen wir – wie Bruder und Schwester – im Ehebett der Farmer, die Türen und die Treppe mit leeren Konservendosen so präpariert, dass wir nicht im Schlaf überrascht werden konnten und schliefen uns das erste Mal seit der Flucht richtig aus.
Am nächsten Tag bereiteten wir alles für unseren Aufbruch vor. Um sicherzugehen, wollten wir nach einer weiteren, einer letzten Nacht in diesem Farmhaus eine Zeitlang auf Nebenstraßen nach Nordwesten ziehen um dem Greiftrupp auf jeden Fall nicht in die Hände zu reiten.
Dabei war den ganzen Tag eine erregende Stimmung zwischen uns. Man konnte die Luft förmlich knistern hören. Am Abend würden wir miteinander schlafen!
Nicht alles ist, wie es scheint
Nach dem großen Sterben – Teil 5
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Nicht alles ist, wie es scheint
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