Ich bin Nina. Ich komme aus der Stadt der Türme und Zinnen, der Stadt mit den verwinkelten Gassen, geheimnisvollen Häuserfassaden und kunstvoll bepflanzten Hinterhöfen. Ich komme aus Budapest. Vor wenigen Wochen bin ich einem Inserat gefolgt. Es bot mir die Chance, in die Schweiz zu reisen, liebes Tagebuch, genaugenommen nach Schönbühl. Natürlich kannte ich diesen Ort nicht mal vom Hörensagen, aber es kam „schön“ darin vor – für mich vielversprechend. Ich wusste damals zwar schon, dass es heimtückische und perverse Männer gibt, aber meinem Stefan hätte ich das, was ich vor einer Woche wegen ihm durchmachen musste, nicht zugetraut. Dir vertraue ich mich an, liebes Tagebuch, Dir, aber niemand anderem. Wenn ich mich mit den hiesigen Frauen vergleiche, bin ich wohl wirklich hübsch. Ich habe die dunklen Augen von meiner Mutter geerbt, und Stefan liebt mein langes schwarzes Haar über alles. Ich setze mich jeden Abend auf den Hometrainer und erhalte mir so die Figur, auf die ich stolz bin. Vielleicht habe ich einen etwas zu grossen Busen, aber Stefan sagt, dass ihn das nicht stört –
im Gegenteil. Na ja - Männer. Wir leben in einem Reihenhaus mit Garten und ich muss sagen, dass die Nachbarn sehr nett sind. Ich mache in Stefans Wohnung die Hausarbeit, denn er ist oft geschäftlich unterwegs. Ich glaube, dass er sehr gut verdient. Hauptsache, ich habe der Armut in meiner Heimatstadt den Rücken kehren können – obwohl ich Budapest sehr vermisse. Es
macht mir auch nichts aus, dass Stefan manchmal nachts in mein Zimmer kommt.
Er ist zwar etwa 30 Jahre älter als ich, aber er ist im grossen und ganzen gut zu mir. Leider verbietet er mir, auch mal allein auszugehen – und so bleibe ich mit meinen Fantasien für mich. Fantasien, die mich in ein besseres Leben entführen, in ein besseres, freieres und schöneres Frauenleben.
Ninas Tagebuch
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