„Liebster Alain !
Vielleicht sollte ich dir dies hier lieber nicht geben, aber egal, ich wollte es zumindest mal aufschreiben. In den letzten fünf, sechs Wochen ist eine Veränderung in mir vorgega
gen. Angefangen hat es glaub ich, mit der heißen Mailerei ... Nach und nach habe ich gemerkt, dass mein Herz hüpft, wenn mir das Piepsen meines Handys anzeigt, dass eine neue Nachricht von dir da ist. Dass ich mir abends beim Einschlafen und morgens beim Aufstehen gewünscht habe, du wärst da und ich könnte mich an dich kuscheln. Und dass ich morgens nach dem Aufwachen mit dir Liebe machen könnte...„
Natürlich habe ich ihm den Brief nie gegeben. Statt dessen tippte ich in mein Handy: „ Weißt du, dass ich dich richtig gern mag ?„ Im Display erschien: „Kurzmitteilung gesendet„ Ein schrilles „piep piep„ verkündete mir seine Antwort: „Ich mag jede Stunde mit dir.„ Die schriftliche Kommunikation machte es leichter. Wenn wir zusammen waren, war zuviel Unausgesprochenes zwischen uns. Mit belanglosem Geplauder versuchten wir statt dessen, während unsere nackten Körper vom flackernden Kerzenlicht warm beleuchtet wurden, das Unaussprechliche zu überbrücken. Unsere Umarmungen wurden inniger, gefühlsbetonter.
Wir hatten nicht mehr viel Zeit. In vierzehn Tagen würde ich die Stadt für immer verlassen. An unserem letzten gemeinsamen Abend brachte er mir die CD von Aretha Shaplin mit. Wir umarmten uns lange. Während er mich fest hielt, flüsterte er mir ins Ohr: „Jetzt wird nicht geheult.„ Ich flüsterte zurück: „Ich heule nicht.„ In diesem Moment war mir klar, dass es kein Morgen geben wird. Ich registrierte es ohne Trauer. Es war schön, aber bald wird es nur mehr Erinnerung sein. Über eine Distanz von 300m km eine Verbindung aufrecht zu erhalten, die bis dato nur aus dem Ausleben sexueller Obsessionen bestanden hatte, machte keinen Sinn. Dieser Abschied war ein leb wohl.
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