Ophelias Füsse

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Ophelias Füsse

Ophelias Füsse

Anita Isiris

Wer heute die Altstadt von Fès betritt, fühlt sich in die Zeit der Geschichten aus 1001 Nacht zurückversetzt. Hinter dem Blauen Tor liegt eine eigene Welt, mit fremden Farben und Gerüchen. In den engen und verwinkelten Gassen ist der Fremde immer in Gefahr sich zu verirren.

Ja, ich war einst eine Fremde in Fès, und, ja, ich habe mich verirrt. Noch heute erinnere ich mich an all die intensiven Düfte, an welche die hierzulande käuflichen Räucherstäbchen, die einen Hauch von Orient verbreiten sollen, niemals heranreichen. “A far cry from it”, würde der Brite sagen. Ich war einige Jahre jünger als jetzt, so an die 20, und ich hatte die Kühnheit, mich als Mann verkleidet hinter das Blaue Tor zu begeben. Ich trug weite Kleidung und einen Turban, und man vermutete in mir einen grazilen und schönen Jüngling. Die Füsse verbarg ich in geschlossenen Ledersandalen, um auch dieses untrügliche Zeichen meiner Weiblichkeit vor der Allgemeinheit zu verbergen. Gar manche Moschee hatte ich bewundert, mich in die Stadtmauern verliebt und sicher an die 100 Mal die Place Mohammed V. überquert. Am Bab Guissa hatte ich Halt gemacht und unterhalb des Tores den Schlächtern zugeschaut. Hier werden bis heute auf mittelalterliche Weise Tiere geschlachtet. Bis zu jenemTag hatte ich geglaubt, dass nur Juden mit ihren primitiven Schächtritualen ein Sakrileg an Millionen von Tieren begehen, mich aber eines Bessern belehren lassen.

Dann verirrte ich mich. Die schmalen Gässchen faszinierten mich; oftmals schloss ich gar die Augen und liess mich von Düften und Klängen leiten. Manch ein marokkanischer Verkäufer fasste mich am Handgelenk, in mir einen potenziellen Käufer für Schmuck oder Teppiche witternd. Ich aber hielt ihnen Stand. Mit einem Mal, es ging wohl schon gegen Abend, stand ich vor einem Zelt, dessen Ausmasse mich in Staunen versetzten.

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