Umso höher waren dann die Erwartungen an das Wochenende. In diese letztlich eineinhalb Tage musste alles an Gutem und Schönem eines Familienlebens hineingepackt werden. Dass das nicht immer hinhaut, kann sich jeder denken. Aber wenn es dich selbst trifft, tut's weh.
Schließlich gab es richtig Ärger. Unsere Jule war krank, Max eiferte quengelig ob der vermehrten Zuwendung an die Schwester, ich hatte zwei Nächte kein Auge zugetan und bekam noch meine Tage. Eigentlich war alles klar. Aber mein Mann war so ausgehungert, dass seine Gefühle wohl meinten, ich müsste trotz all des Chaos in sehnsüchtiger Erwartung vor Verlangen nach ihm
vergehen. Der folgende Streit war so ziemlich der schlimmste unserer Ehe. Natürlich tat ihm das alles leid und wir versöhnten uns matt und übernächtigt mit einer intimen Begegnung, die mehr den Wunsch nach Nähe als diese selbst verkörperte. Verkatert verabschiedeten wir uns am späten Sonntagnachmittag und ich wusste, jetzt wurde es ernst. Die Probleme einer Pendlerehe hatten auch uns erreicht.
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Tatsächlich wurde ich lustloser. Ich musste alles alleine managen, konnte ja nicht ständig telefonieren wegen Dingen, die wir früher im Gespräch nebenbei erledigt hatten. Und wenn ich dann erschöpft auf die Couch sank, weil die Kinder endlich schliefen und der Haushalt erledigt war, dann war es mir fast lieber, wenn ich meine Ruhe vor der Glotze hatte, als dass er anrief und ich noch an unserer Beziehung arbeiten musste. Meine Unzufriedenheit entwickelte ein solides Fundament und dafür gab es zweifellos einen Schuldigen.
Er hingegen hatte es leicht: nach dem Video-Chat mit mir und den Kindern rannte mein Göttergatte los und beackerte den Fitnessparcour im dortigen Stadtpark, jeden Abend, zu jeder Jahreszeit und bei fast jedem Wetter. Und so wandelte sich mein Spargeltarzan mit dezentem Bauchansatz zum respektabel sportlichen Enddreißiger mit Bizeps und Sixpack. Ich meine, schön, dass er seine freie Zeit sinnvoll nutzt, wenn er mir schon nicht mehr bei häuslichen und familiären Pflichten zur Seite stehen kann. Aber ich war mit allem zunehmend erledigt und wollte einfach meine Ruhe.
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