Die beiden Männer hatten im Hauszelt gewichst vor ihr und dabei glasig auf ihre nackte Scham gestarrt. Walter war zuerst gekommen.In ihrer tiefen Verletztheit und Verzweiflung fasste Christina einen Entschluss. Sie gab ihrer Familie vor, sie gehe für eine Woche nach Freiburg zu einer Freundin. Evelyne und Sue waren mittlerweile alt genug, um mit dem vorbereiteten Essen für die paar Tage umgehen zu können, und Walter – ja, auch der konnte zu sich selbst schauen – Überzeit hin oder her. Christina machte sich auf den Weg nach Freiburg, aber nur für vier Tage. Die zweite Wochenhälfte verbrachte sie in unmittelbarer Nachbarschaft ihrer eigenen Wohnung – bei Lucie, einer Ex-Kommilitonin, die zwar das Studium erfolgreich abgeschlossen hatte, jetzt aber arbeitslos war. „Wer benötigt heute schon Deutschlehrerinnen", hatte sie verbittert gesagt, „auf jedem Computer ist ja ein Duden-Konverter installiert, der die Rechtschreibung anpasst". Christina wusste, dass Walter ihre Abwesenheit nutzen würde – möglicherweise für ein Schäferstündchen mit Marie-Fé – schlimmstenfalls in ihrem Schlafzimmer. So viel verriet ihre Intuition. Sie musste nur den Moment erwischen, den „In-Flagranti-Moment". Am Samstag Morgen schlug ihr Herz bis zum Hals. Die beiden Töchter waren in der Schule versorgt; Walter hatte seinen einzigen freien Tag. Tatsächlich beobachtete sie aus dem Nachbarhaus, wie er gegen 09.00 Uhr in den Lexus stieg um einzukaufen. Sie nutzte den Moment und huschte in ihre Wohnung. Über die Unordnung nervte sie sich gar nicht erst und übersah auch die Tomatenkleckse am Herd. Wie eine Einbrecherin kam sie sich vor – in den eigenen vier Wänden. Beherzt öffnete sie eine Schublade und entnahm ihr das grösste Küchenmesser, das sie finden konnte. Dann ging sie ins Schlafzimmer und zog sich bis auf die Unterwäsche aus; es war schwül im Raum.
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