Geahnt hatte sie es schon lange. Walter war nicht mehr der selbe. Keineswegs. Als sie ihn kennen gelernt hatte, vor Jahren, war er ein Herzensbrecher gewesen. Einer von der raren Sorte. Er konnte sich hineindenken in die Frauen. So etwas hatte sie noch nie erlebt. Als ausgesprochen sensiblen Mann hatte sie ihn kennen gelernt. Schon seine langen Wimpern seien ein optischer Hinweis auf angeborene Empathie, hatte ihr eine Studienkollegin verraten. Sibylle hätte Walter selbst gerne abgekriegt. Es konnte aber nur EINE geben. Diese Eine war Christina. Oh ja, und sie hatte Walter belohnt für seine Einfühlsamkeit. Zwei Kinder hatte sie ihm geschenkt, ihm jeden Wunsch von den Augen abgelesen, auch seine – für sie – abartigen sexuellen Präferenzen. Im Urlaub in Cap d’Agde hatte sie sich im Bungalow von einem unbekannten Franzosen nehmen lassen, vor den Augen ihres Geliebten. Das lüsterne Funkeln in Walters Augen würde sie nie mehr vergessen. Der Franzose hatte kurzen Prozess gemacht mit ihr, Christina das geblumte Sommerkleid fast vom Leib gerissen. Walter hatte vor Erregung gezittert. „Donne-moi ta fente!" Joaquins unverblümte Aufforderung hatte sich in ihren zahllosen Alpträumen wiederholt. Wieder und wieder. Donne-moi ta fente!Christina stand vor dem Spiegel und betrachtete sich eingehend. Was konnte sie denn dafür, dass sie mittlerweile 35 war? Dass ihre Haut nicht mehr ganz so glatt und geschmeidig war wie vor 15 Jahren, als sie sich kennen gelernt hatten? Was konnte sie dafür, dass sie zwei Kinder gestillt hatte und ihre Brüste nicht mehr ganz so keck wirkten wie die von Marie-Fé? Was konnte sie für ihre breiten Hüften? Die Orangenhaut, gegen die nichts half? Auch Oil of Olaz nicht? Dafür waren die Geburten von Evelyne und Sue problemlos von statten gegangen – oder?Kurzum: Christina war klar, dass Walter sie mit Marie-Fé betrog.
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