Eine schimmernde Perlenkette schmückte den zierlichen Hals. Sie lenkte den Blick auf ein Dekolleté, das durch den waagerechten Ausschnitt weniger auf unverhüllte Offenbarung setzte, sondern vielmehr die Fantasie des Betrachters auf das Angenehmste anregte. Alles in allem machte die Dreißigjährige eine fabelhafte Figur.
„Da sind sie ja, mein lieber Doktor! Ich hatte schon befürchtet, dass Sie schon abgereist sein könnten.“
Sie schenkte ihm ein gewinnendes Lächeln, das er linkisch erwiderte, und reichte ihm eine schmale, grazile Hand – allerdings hielt sie sie mit dem Handrücken nach oben, was ein konventionelles Händeschütteln ausschloss. Carlo rief seine längst verschütteten Tanzkurserinnerungen ab, fasste ihre Fingerspitzen, brachte seine Lippen so nah wie möglich an ihre Knöchel heran, ohne sie jedoch zu berühren, und richtete sich wieder auf.
„Wie hätte ich eine so reizende Einladung ausschlagen können, Madam. Es ist mir eine große Ehre, heute Abend Ihr Gast sein zu dürfen.“
„Die Freude ist ganz meinerseits, Doktor.“ strahlte sie ihn an und nippte an ihrem Champagner.
„Den Doktor habe ich im Hotel gelassen.“
„Verzeihen Sie, aber ich glaube, Sie sind der erste heute Abend, der auf den Titel keinen Wert legt.“
Verschwörerisch beugte er sich ein wenig vor, als ob er ihr ein Geheimnis anvertrauen wollte.
„Der akademische Grad ist kein Bestandteil des Namens.“ erklärte er. „Die meisten wissen das nur nicht…oder wollen es nicht wissen.“
„Mit Verlaub, Sie scherzen!“
„Ich bin ein schlechter Witzeerzähler.“
Sie neigte den Kopf und sah ihn über den Rand ihrer Designerbrille hinweg seltsam an.
„Sicher haben sie andere Qualitäten, die es wert sind, kennengelernt zu werden.“
Ehe Carlo über diese kryptische Bemerkung nachdenken konnte, ertönte aus der Tiefe des Raumes mehrmals ein chinesischer Gong. Sofort improvisierte der Pianist ein paar abschließende Akkorde und ließ seinen Vortrag mit einem perlenden Arpeggio ausklingen.
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