Zu Louisas Verwunderung stand die junge Frau vor ihr. Sie hatte einen breiten Ledergürtel um ihre schlanke Taille geschlungen. Zaghaft lugte Louisa aus ihrem Versteck hervor. „Ich weiß, dass du mir gefolgt bist. Frage mich nur, was eine vermeintlich höhere Tochter wie du auf einem Piratenschiff sucht?“ Louisa blieb nichts anderes übrig, als sich dem fremden Mädchen anzuvertrauen. „Ich heiße Louisa Bloomington, die Tochter des Bankiers von Nassau. Mein Vater beabsichtigt, mich mit einem Mann zu verheiraten, den ich nicht liebe. Ich möchte nicht mit so einem alten Langweiler zusammenleben. Dann habe ich dich am Hafen gesehen. Du wirkst so frei und ungezwungen. Deswegen bin ich dir auf dieses Schiff gefolgt.“ Die gutaussehende Piratenbraut lachte. „Ich bin Katherine, die Tochter des Captains dieses Schiffes. Mein Vater wird nicht begeistert sein, wenn er erfährt, dass wir einen blinden Passagier an Bord haben. Du hast naive Vorstellungen, Louisa. Wir gehen auf Kaperfahrt. Mein Vater darf nicht erfahren, wer du wirklich bist. Ich werde ihm erzählen, dass ich dir am Hafen geholfen habe, als du von besoffenen Kerlen belästigt wurdest. Wenn mein Dad hört, dass du die Tochter eines wohlhabenden Mannes bist, wird er auf dumme Gedanken kommen. Dein alter Herr wird gewiss ein hohes Lösegeld bezahlen, wenn er dich in der Hand von brutalen Freibeutern weiß.“ Louisa war froh, dass Katherine Verständnis für ihre prekäre Lage zeigte. Zuerst gab sie Louisa ein einfaches Leinenkleid, das ihre wahre Herkunft verschleiern sollte. „Zieh das an! Ich werde behaupten, dass du ein Waisenmädchen bist, dem übel mitgespielt wurde. Mein Vater hat ein großes Herz, auch wenn man sich das kaum vorstellen kann.“ Katherine schaffte es tatsächlich, ihrem Vater die Geschichte aufzutischen, dass Louisa im Hafenviertel Nassaus von Seeleuten bedrängt wurde. Daraufhin sei sie der jungen Frau zu Hilfe geeilt. Louisa musste aus einem Waisenhaus fliehen, da sie dort schlecht behandelt wurde. Katherine kannte ihren Vater gut genug, um zu wissen, dass sich unter seiner rauen Schale ein weiches Herz verbarg. Captain Turner, dessen Kampfname Tarbeard lautete, erklärte sich bereit, Louisa als Kombüsennmädchen aufzunehmen. Die junge Dame fand es zunächst aufregend, dass sie unter der Fahne mit den gekreuzten Knochen mitsegeln durfte. Doch bald merkte sie, dass es kein Zuckerschlecken war, kiloweise Kartoffeln zu schälen und dem mürrischen Koch zur Hand gehen zu müssen. Katherine schmunzelte, wenn sie Louise in der Kombüse besuchte. Matt Murdock sah nicht nur ziemlich grobschlächtig aus – er verfügte auch über eine dominante Ader. Louise war es nicht gewohnt, getadelt zu werden. Da sie noch nie zuvor solche Arbeiten verrichten musste, dauerte es entsprechend lange, bis sie die Kartoffeln von der Schale befreit hatte. „Haben sie dir in deinem Waisenheim denn gar nichts beigebracht? Beeil dich ein bisschen. Die Männer haben Hunger und wenn ihnen der Magen zu lange knurrt, werden sie es an mir auslassen. Bevor es dazu kommt, werde ich dich in den Hintern treten. Hast du mich verstanden? Du faules Luder!“
Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.