Polinas Höschen

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Polinas Höschen

Polinas Höschen

Anita Isiris

Darauf war er vorbereitet. Holger wollte Polinas Seele. Ihr Inneres, ihr Geheimnis, das so rasch keiner lüften würde. Dann erstarrte Holger. Er stand ja noch immer an ihrem Bett, als sie sich plötzlich zu ihm drehte. Die Matratzenfedern quietschten. Für einen Augenblick war Polinas linker Nippel zu sehen. Holger kämpfte um Beherrschung. Nicht nur die Situation spannte ihn an – die Tatsache, dass er sich in seiner eigenen Wohnung befand, die ihm jetzt verwehrt war – sondern vor allem die erotische Komponente.

Er stand im Schlafzimmer, im Allerheiligsten einer ahnungslosen Frau, die sich in Sicherheit wähnte. Holger machte ein paar Schritte auf ihre Schlafstatt zu und setzte sich an die Bettkante. Nachdenklich betrachtete er das Bild, das seit Jahren am Kopfende hing. Klimt. Der Kuss. Mittlerweile fast zu bekannt, um noch Wirkung zu erzielen. Und doch... die Innigkeit der beiden sich Vereinenden rührte ihn jedes Mal. Holger war kein gefülloser Macker, nein. Er war sensibel – allerdings etwas zu anfällig für weibliche Reize, als dass eine Frau wie Polina dies ertragen hätte.

Sogar ihren besten Freundinnen hatte er den Hof gemacht, und Brigitte war ihm erlegen. Brigitte lieferte die Initialzündung zur Trennung, war gewissermassen die Spitze des Eisbergs gewesen. Darauf kam es jetzt aber auch nicht mehr an.

Holger spürte, dass er sie noch immer liebte, die Polina, und er wollte unbedingt, dass sie mitbekam, dass er jetzt, um 00:45 Uhr morgens, an ihrer Bettkante sass. Er berührte ihre Halsschlagader im Bereich des Glomus Caroticus, derjenigen Stelle also, die den menschlichen Blutdruck steuert. Drückt man lange genug, kommt es zu Bewusstlosigkeit und zu Sauerstoff- respektive Glucosemangel im Gehirn. Das ist wohl der Grund, dass uns die Evolution mit einem Reflex gesegnet hat. Berührt jemand unseren Glomus Caroticus, selbst wenn wir uns im Tiefschlaf befinden: Wir reissen in Panik die Augen auf.

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