Die Prinzessin und der Apfelstock

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Die Prinzessin und der Apfelstock

Die Prinzessin und der Apfelstock

Anita Isiris

So kam Anastasia zu einem neuen Himmelbett. Es war gänzlich aus Mahagony gefertigt und eines der wenigen seiner Art. Es wurde Nacht, und Anastasia las vor dem Einschlafen die Schöpfungsgeschichte – wohl zum Tausendsten Mal in ihrem Leben. Sie mochte es, das Paradies, die Tiere, Eva, vor allem aber auch Adam, den ohne Kleider sich vorzustellen ihr allerdings schwer fiel, hatte sie doch noch nie einen nackten Mann gesehen.

Dann entschloss sie sich, den Wulst zu untersuchen, sollte er sie erneut belästigen. Eine Stunde, nachdem sie friedlich eingeschlafen war, tauchte er wieder auf. Er schmiegte sich zwischen Anastasias Schenkel, sie erwachte und ertappte sich dabei, dass ihr Becken kleine Kippbewegungen vollführte. Sie spürte, dass sie feucht war, befürchtete eine Krankheit, von der sie durch eine Türspalte hindurch gehört hatte: Syphilis!

Blitzschnell drehte sie sich gegen die Wand und griff nach dem Wulst. Dieser wirkte beruhigend auf sie. So beruhigend, dass sie ihn zwischen ihre Brüste presste und zärtlich streichelte. Dann umarmte sie der Schlaf.

„Der Wulst ist wieder da, und ich habe ihn untersucht“, verkündete Anastasia beim Frühstück selbstbewusst. Es handelt sich um eine Art Stange. Am vordern Ende ist die Stange verdickt, und die Verdickung ist pilzförmig. Am andern Ende, ja, da befinden sich zwei feste, kleine Äpfelchen.“

Der König wurde feuerrot im Gesicht; die Königin fiel in Ohnmacht. Nur Filomena behielt die Fassung. „Da ist etwas Böses im Gang, Kind, etwas sehr, sehr Böses. Du bist einem Apfelstock anheim gefallen.“ Anastasia konnte in einem Apfelstock nichts Böses erkennen – umso weniger, als ja Äpfeln eine der grundlegenden Rollen in der biblischen Schöpfungsgeschichte zukamen. Sie fragte aber nicht nach. Zu bedrohlich war das Schweigen im Speisesaal. Was Anastasia nicht wusste: Ihr Vater hatte sie Prinz Norbert vom benachbarten Königreich Divolien versprochen, das heisst, deren Vater. Prinz Norbert war nicht nur von schöner Gestalt, sondern würde eines Tages eine der mineralienreichsten Gegenden des ausgehenden Nachmittelalters übernehmen können.

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