Jetzt im Ruhestand schreibe er noch hin und wieder Kritiken oder verfasse Buchbesprechungen für Zeitungen. Auch sie sprach frei über ihr Leben und ihre Pläne. Sie studiere Ethnologie und arbeite seit einigen Wochen an ihrer Diplomarbeit, habe aus diesem Grunde auch ihre Teilzeitanstellung im Museum aufgegeben. Dem Kanusport zieht sie aber Bergtouren und Schwimmen vor.
Als sie wieder zurück in ihrer Wohnung war, stellte sie fest, nahezu zwei Stunden mit dem Professor verbracht zu haben. Eine Woche darauf fand sie eine kleine Karte unter die Blende des Schlosses ihrer Wohnungstüre gesteckt vor. Auf deren Vorderseite war in geschwungener Schrift "August Höllerer, Professor d. Literatur- und Kunstgeschichte i.R." gedruckt, in der linken unteren Ecke stand die Adresse und Telefonnummer. Die Rückseite der Karte war von Hand beschrieben und Isa las: >Danke für das nette Gespräch. Ich erlaube mir, sie in den kommenden Tagen zum Kaffee
einzuladen. Bitte um ihren Anruf. Ihr August Höllerer.<
Sie steckte die Karte unter das Telefon neben ihrer Couch und überlegte lange, ehe sie den Professor anrief.
Abends saß sie auf der Couch, hielt die Karte in ihrer Hand und dachte nach.
Auch sie hatte das Gespräch mit dem Mann als sehr angenehm verlaufen in Erinnerung behalten. Seine Stimme, leise und sanft hatte sie, so gestand sie sich nun ein, auch leicht erregt. Langsam stieg sein Bild vor ihr auf, sein Gesicht mit den dunklen, von kleinen Fältchen umgebenen Augen, sein volles weißes Haar, dass er länger trug als andere Männer seines Alters, seine aufrechte, schlanke Gestalt, seine Hand, die warm und weich die ihre doch kräftig hielt.
"Guten Abend, Singer," sagte sie ins Telefon als der Hörer am anderen Ende der Leitung abgenommen wurde und der Professor sich gemeldet hatte, "Ich nehme ihre nette Einladung gerne an.
Professor Höllerer
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Professor Höllerer
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