Steve stellte sich breitbeinig vor den mannshohen Spiegel, der im biederen Schlafzimmer seiner Eltern stand. Normalerweise betrachtete sich sein Vater darin, suchte die immer kahler werdende Kopfhaut mit raffiniert lang gewachsenen Strähnen zu verdecken. Oft zwängte sich auch Steves Mutter in viel zu enge, knappe Kleider und all dies ertrug dieser Spiegel ohne zu klagen. Steve sah sich selbst in diesem Spiegel und was er sah, stellte ihn vollends zufrieden. Die stachligen, kurzen Haare standen pechschwarz nach allen Windrichtungen ab. Das knappe, weiße T-Shirt war kunstvoll zerrissen, die verwaschene Jeans an den Knien löchrig und die Springerstiefel schwer und klobig. Es war Hochsommer, unerträglich heiß in diesem letzten Jahr der Siebziger. Steve fluchte, denn er hätte gerne seine schwarze, mit Buttons übersäte Lederjacke angezogen doch dafür war es einfach zu warm.
Steve wollte in die Stadt. Es zog ihn zum Marktplatz wo die anderen schon warteten. Steve freute sich darauf. Er war 19, er war frei und seit einem Jahr ein Punk. Das hatte sehr viel Positives in diesem Jahr. Die Mädchen, zumindest jene auf die er es abgesehen hatte, liebten Typen wie ihn. Outlaw, Rebell, Anarchist. Steve wußte noch nicht so genau was er eigentlich sein wollte, aber genau diese unterschwellige Unsicherheit machte einen Großteil seines Charmes aus. Die Straßenbahn war voll und miefig. Steve fand einen freien Sitzplatz und fläzte sich provokant hinein. Ältere Herren verzogen angewidert das Gesicht, betagte Großmütter wendeten sich entsetzt ab. „Das hätte es 33 nicht gegeben!“, hörte er einen untersetzten Mann im verschwitzten Oberhemd sagen. Steve rülpste und zeigt ihm so seine Abneigung.
Punk Rock
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