Pygmalion

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Pygmalion

Pygmalion

Joana Angelides

Der Schwung von den Hüften zu den Schenkeln gelingt aus der Erinnerung in unglaublicher Formvollendung und endet in den zarten Füßen.
Er liebte ihre Füße, sie waren schmal und feinnervig. Was aber das Wunderbarste an ihnen war, sie waren sehr empfindlich. Sie liebte es damals immer, seine Fingerspitzen darauf zu spüren. Er liebte es, wenn er sie fast zum Wahnsinn trieb, indem er seine Fingernägel über ihre Sohle laufen ließ und dabei gleichzeitig mit der anderen Hand über ihren Körper strich. In seltenen Fällen brachte er sie bis zum Höhepunkt, was er sehr genoß.
Bei jeder einzelnen Zehe verweilt er, arbeitet mit dem Meißel die zarten Nägel heraus, berührt jede Zehe an der Unterseite und lächelt, wenn er meinte, sie seufzen zu hören. Er nimmt sich viel Zeit, er genießt es, als er zur Kenntnis nehmen muß, dass es ihn ebenfalls erregt.
Es folgen nun einige Tage, an denen er mit großer Akribie daran geht, den Bereich unter ihrem Bauch, zwischen den beiden geschlossenen Schenkeln, zu bearbeiten. Er arbeitet einen kleinen Hügel heraus, gewölbt und zart in ein Ypsilon auslaufend.
Es dauert sehr lange, bis er vollkommen zufrieden damit ist. Seine darüber streichenden Hände finden immer wieder eine Unstimmigkeit, eine Unebenheit und lassen Signale durch den Körper laufen, ihn ein wenig pausieren.
Es waren quälende Nächte, in denen er sich alles wieder herbei rief, ihre zarte Haut, die fließenden Formen. Die Gedanken an jene Augenblicke, wo er diese sanften Linien mit seinen Fingerkuppen teilen konnte, die Muschel ihre Perle preisgab und sie eingingen in eine Welt von Gefühlen, Feuer und Eis.
Nach Wochen hat er noch immer nur die Vorderseite der Gestalt heraus gearbeitet. Es ist als wäre sie mit dem Stein verschmolzen, von ihm gefangen. In seiner Fantasie manifestiert sich auch der Glaube oder der Wille, sie wäre verwunschen für alle Zeit und in diesen Stein gefangen.
Er hat den bearbeiteten Stein so aufgestellt, dass ihn das Mondlicht voll trifft und er die heraus gearbeitete Skulptur von seiner Liege aus betrachten konnte. Seine Blicke können ungestört an den Konturen entlang gleiten, verweilen und sie auch liebkosen. Es steigert sein Machtgefühl, dass sie es ihm nicht verwehren kann, sie mit Blicken und auch mit seinen Händen zu berühren, solange und so intensiv als er will.
Immer wieder bearbeitet er den Stein, ergänzt hier etwas und meißelt dort ein wenig weg, doch die totale Trennung, das Loslösen vom Stein, vermeidet er.
In manchen Nächten löst sie sich vom Marmorblock, steigt herab und verschmilzt mit ihm in leidenschaftlichen Umarmungen. Er kann ihren Atem spüren, die Erregung und das Pulsieren ihres Körpers.
Marmor ist ein warmer lebendiger Stein.

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