Reeperbahn 2 G

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Reeperbahn 2 G

Reeperbahn 2 G

Claudia Carl

Der Mann vor dem Dönerspieß ist schön. Vielleicht aus Afghanistan. Sein Gesicht ist ebenmäßig, er ist nicht mehr zu jung, vielleicht 45. Ich schaue ihn sehnsüchtig an, und etwas hilflos, wie eben eine Frau alleine auf der Reeperbahn schaut, eine Art Opfer. Wie lange ich in Hamburg bleibe fragt er und er stellt sich sichtbar Exzesse vor, auf die ich aus bin, sonst wäre ich nicht in dieser Straße. Es sei viel los am Wochenende, sagt er vielsagend und sieht mich vermutlich schon auf dreckigen Matratzen beim SM Treff liegen. Nein, er ist ja vermutlich Muslim, so weit geht seine Fantasie nicht. Ihm genügt es bereits, mich nackt zu sehen, mich danach dafür zu bestrafen und vor die Tür auf die kalte Straße zu werfen. Ich hätte es nötig, durchaus. Aber mit einer Dönerbox mit Pommes, die er extrem liebevoll zubereitet hat, verlasse ich den Laden. Den ich übrigens ohne Maske betreten durfte, auch sein Gesicht war nackt. Das ist ja heutzutage schon Frevel.

Ich gehe also in mein Hotel in der Talstraße, denn draußen erwartet mich wohl nicht mehr viel und einkehren kann ich nicht. Ich liebe dieses Hotel, seine stinkenden bunten Teppiche auf den Treppenstufen, den muffigen Geruch im Flur, die Frau im Bademantel, die aus der Gangdusche schlüpft. Die alten Zimmertüren mit Schlüsseln, nicht mit Magnetkarten. Die abgewetzte Einrichtung, die zerschlagenen Waschbecken, den auseinanderfallenden Heizlüfter, den ich lieber nicht anmachen würde aus Angst vor einem Stromschlag. Das Rot Weiß der Zimmer, die frivole Ausstrahlung. Rotes Kopfteil des Doppelbetts, rote Vorhänge, rote Überdecken. Ich verspeise Döner und Pommes und schlafe auf dem weichen Bett ein.

Als ich aufwache ist es 3.40 Uhr. Vor meinem Fenster haben irgendwelche Kerle mehrfach so laut gebrüllt, dass ich nicht mehr schlafen konnte. Ich gehe zum Fenster und schiebe den roten Vorhang beiseite.

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