Reiner K., der Achselfetischist

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Reiner K., der Achselfetischist

Reiner K., der Achselfetischist

Anita Isiris

Mala, die Wasserträgerin – eine Erzählung von Anita IsirisRoberto hatte sich lange im Voraus auf seinen sechsmonatigen Aufenthalt auf den Malediven gefreut. Die Inselgruppe kannte er nur vom Hörensagen; nie hätte er sich träumen lassen, dass er eines Tages mit Hilfe eines Kunststipendiums aufs Mulaku Atoll fliegen würde. Roberto studierte Malerei in einem höheren Semester und war besessen von der Idee, die Farbe menschlicher Haut möglichst authentisch auf die Leinwand zu übertragen – eine Kunst, an der schon andere vor ihm gescheitert waren: Picasso, Klee, Cézanne, Braque. Sie alle hatten irgendwann kapituliert und mit Fremdfarben zu experimentieren begonnen – was ihnen ja auch Ruhm einbrachte. Einen Menschen so zu malen, wie er ist, in diesem schwer zu beschreibenden Hautton, war immer erst der nächsten Künstlergeneration vorbehalten gewesen.
Erwartungsfroh verliess Roberto das Boot, das zwischen dem Atoll und der Hauptstadt Male die einzige Verbindung war und wurde von fünf lachenden Frauen in Empfang genommen. Alle waren sie mit Blumen geschmückt – als hätten sie nur auf ihn gewartet. Roberto verschlug es die Sprache. Eine leichte Brise wehte vom Meer herüber und am Horizont rötete sich der Himmel. Roberto wurde umsorgt, befragt, gehätschelt und verwöhnt – eine ganze Woche lang. Dann erwachte er aus seiner Trance und beschloss zum wiederholten Mal, sich an die Arbeit zu machen. Kontemplativ sass er am Strand und liess den feinen Sand durch seine Finger rinnen. Importierter Hummer, Ananas, Palmwein und Nektar hatten seine Sinne umnebelt und ihn träge gemacht. Sechs Monate hatte er Zeit. Sechs Monate, um dem Geheimnis der Farbe menschlicher Haut näher zu kommen.

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