Reiner K. war seines Zeichens Gynäkologe mit überproportionalem Einfühlungsvermögen. Er gehörte zu den Berufsleuten, die stets das Gefühl hatten, sich für Ihr Fachgebiet rechtfertigen zu müssen. “Es ist nicht, wie Ihr denkt”, sagte er in offener Gesellschaft immer wieder, “wir stecken oft bis zu den Ellenbogen im Eiter”. Dass er die negativen Seiten seines Berufes immer explizit hervorhob hatte damit zu tun, dass er nicht den Eindruck erwecken wollte, er könne jeden Tag schöne Frauen betrachten und berühren und würde erst noch reich dabei. Reiner K. war nicht reich, aber wohlhabend. Seine Villa am See gönnten ihm aber die meisten, denn es war bekannt, dass er hart arbeitete. Reiner K. war nicht verheiratet, lebte aber seit über zehn Jahren mit einer Kosmetikerin zusammen, die eine Tochter mit in die Beziehung gebracht hatte. Nina war mittlerweile zwölf. Seine Vorliebe für weibliche Achselhöhlen hatte Reiner K. bereits in seiner Pubertät entdeckt. Damals, in den 70er Jahren, rasierten sich die Frauen unter den Armen noch nicht. Diese manchmal recht üppigen Haarbüschel hatten es Reiner K. angetan. Um sich täglich damit zu befassen, hätte er sich allerdings den aufwändigen Bildungsweg bis zum Gynäkologen sparen können. Berufe wie Fotograf, Sportlehrer oder Bademeister hätten ihm die weiblichen Achseln auch erschlossen. Nach dem Staatsexamen hatte er sämtliche denkbaren Disziplinen durchlaufen, von der Orthopädie über die Nephrologie bis hin zur Urologie – und war dann eher durch Zufall bei der Gynäkologie gelandet, weil in der Uniklinik gerade eine Oberarztstelle nicht besetzt war. Dann war Reiner K. über eine meiner Geschichten gestolpert, die ich hier wiedergebe, damit sich der geneigte Leser aufwändige Literaturrecherchen ersparen kann. “Mala, die Wasserträgerin” heisst die Story, die das Leben des Reiner K. für immer verändern sollte. Nicht dass Reiner K. ein expliziter Sex-Surfer war – beileibe nicht. Die Abende verbrachte er mit seiner Vera und deren Tochter, und die raren freien Wochenenden probte er hinter seinem Schlagzeug, das in einem eigens dafür angebauten Kellerraum stand. Dort, hinter der Snare Drum, dem Hi Hat und der Bass Drum, las er in aller Ruhe immer wieder die Erzählung, die ihn so faszinierte:
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