Rosenhochzeit

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Rosenhochzeit

Rosenhochzeit

Leif Larsson

„Wir drei werden uns eine schöne Zeit machen.“ versprach Silkes Mutter. „Opa hat Karten für einen Märchenfilm gekauft. Und was stellt ihr heute so an, an eurer Rosenhochzeit?“ fragte sie ihre Tochter, nachdem Jasmin im Haus verschwunden war.
„Ich weiß nicht.“ griff Silke dreist zur Notlüge. „Oliver hat etwas arrangiert, aber er will mich überraschen. Deshalb muss ich jetzt auch gleich los, sonst verpasse ich meinen Friseurtermin.“
„Dann viel Vergnügen heute Abend!“ rief ihr ihre Mutter nach, als Silke in ihr Auto stieg. „Und grüße Oliver ganz herzlich von uns!“

Da sie spät dran war, parkte sie den Kleinwagen notgedrungen im Parkverbot und hastete in den Friseursalon. Silvia wartete bereits auf sie. Der Lehrling entpuppte sich als dralle, kaugummikauende, düster geschminkte Achtzehnjährige mit schwarz lackierten Fingernägeln und Gothic-Frisur. Silke warf einen neidischen Blick auf die üppige Oberweite des Mädchens, über die sich ein schwarzes T-Shirt mit gewagtem Ausschnitt spannte. Ihr schwante nichts Gutes, doch der Lehrling bediente sie korrekt und erkundigte sich professionell nach ihren Wünschen. Sie schilderte Tinas aktuelle Frisur, ergab sich dann erwartungsvoll ihrem Schicksal und legte den Nacken auf den Rand der Waschschüssel wie eine zum Tode Verurteilte den Kopf auf den Richtblock. Nach dem Waschen beobachtete Silke beunruhigt, wie unter Silvias unerbittlichen Händen Strähne um Strähne der Schere zum Opfer fiel. Den noch verbliebenen Rest des Haupthaares zerzauste sie nach dem Chaosprinzip und verteilte ohne jede erkennbare Ordnung grüne und orange Farbe. Als Silvia zum Föhn griff, schloss Silke die Augen und beschloss, sie erst wieder zu öffnen, wenn der Augenblick der Wahrheit unausweichlich sein würde.

„Fertig.“ verkündete der Lehrling wortkarg und schaltete den Föhn aus. Silke öffnete ergeben die Augen. Im Spiegel sah sie eine vollkommen andere Frau.

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