Er spürte Sympathie für dieses dunkelhaarige Mädchen, das sichtlich angespannt vor ihm saß. Frank traf sich mit ihr im Besprechungszimmer, das für solche Einzelgespräche vorgehalten wurde. Er wollte ihr deutlich machen, dass sie sich gewaltig steigern musste. Sonst sah er schwarz für einen mittleren Schulabschluss! Tati hörte ihm aufmerksam zu, als er ihr seine Bedenken mitteilte.
„Tatjana, Du musst Dich mehr anstrengen! Du stehst in Deutsch und Mathematik auf einer glatten Fünf. In den anderen Fächern bist Du auch nicht sehr gut. Du musst schauen, dass Du wenigstens in einem der beiden Fächer auf eine Vier kommst. Dann kannst Du einen Fünfer durch eine Drei ausgleichen. In Englisch stehst Du ja auf Drei! Ich verstehe das nicht: In Englisch bist Du so viel besser, als in Deutsch. Sag mir bitte, woran das wohl liegen mag. Ich verstehe das einfach nicht!“
Verlegen strich sie sich durch ihr glattes, langes Haar. Sie schien nachzudenken, runzelte die Stirn. Tati sah sehr gut aus, war hochgewachsen und schlank. Ihre Eltern waren aus der ehemaligen UDSSR eingewandert, schon vor dem Mauerfall. Tatjana kam hier zur Welt, kannte die Heimat ihrer Vorfahren nur von sehr wenigen Besuchen. Ihre Eltern waren bestens integriert, beherrschten die deutsche Sprache perfekt. Der Migrationshintergrund konnte also keine Ausrede dafür sein, dass ihre schulischen Leistungen so dürftig ausfielen. Das Mädchen wusste genau, woran es ihr mangelte.
„Ich weiß auch nicht, Herr Holtmann. Mir fällt es schwer mich zu konzentrieren. Ich kann mich einfach nicht selbst motivieren, etwas mehr für die Schule zu tun. In Mathe habe ich jetzt einen Nachhilfelehrer. Mit dem lerne ich zweimal die Woche. Ich glaube, dass mir das hilft. Nur für Deutsch finde ich niemanden. Könnten Sie nicht? Ich meine, würden Sie mir da ein bisschen helfen wollen?“
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