Roter Wein auf Lava

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Roter Wein auf Lava

Roter Wein auf Lava

Bernard

Während der Turbulenzen redeten wir. Sie flog nach New York, ihr Chef war im gleichen Flugzeug, aber Erster Klasse. Sie war seine persönliche Assistentin. Was sie da so zu tun habe, wollte ich wissen.
„Wollen Sie das wirklich wissen?“
„Ja, will ich. Vor allem, weshalb Sie so gut... sagen wir: reizend gekleidet sein müssen.“
„Das ist es eben. Man soll mich anstarren. Ich muss sexy aussehen, dass alle denken: WOW, der Typ hat aber eine wahnsinnige Assistentin, der muss was drauf haben.“
„Was hat er drauf?“
„Wahnsinnig viel. Ich bin aber auch da oben nicht ohne.“
Sie tippte sich an die Stirn.
„Daran zweifle ich nicht. Haben Sie ein Verhältnis mit ihm?“
„Kein Herumschlafen.“
„Sie sind drastisch.“
„Sie etwa nicht?“
„Ich kenne mich nicht aus in der Geschäftsreisebranche. Ich bin Student.“
„Dort geht es nicht drastisch zu?“
„Überhaupt nicht. Alle tun als ob, aber kaum jemand tut’s. Was tun Sie, wenn Sie ankommen?“
„Hotel, kurzer Schlaf, dann Fitness, dann Essen, dann das erste Meeting. Alles im Hotel, ich werde es drei Tage lang kaum verlassen.“
“Welches Hotel?”
“Marriott Grand Central.”
„Ach Gott. Da komme ich nicht mal in die Lobby.“
„Doch, wenn Sie mit mir kommen.“
„Weshalb sollte ich das?“
„Wollen Sie nicht?“
„Wollen schon, können nicht. Da kostet die Nacht soviel, wie ich in einem Monat ausgebe.“
„Wer spricht von ausgeben? Ich engagiere Sie, dann geht es auf Geschäftskosten.“
„Wie… wie bitte? Was denken Sie sich da gerade Schmutziges aus?“
„Können Sie Englisch?“
„Meine Mutter ist Amerikanerin, mein Vater Franzose. Aufgewachsen bin ich in der Deutschschweiz. Macht vier Sprachen fließend, Schweizerdeutsch mitgezählt. Schweizerdeutsch sollte man unbedingt mitzählen.“
Sie starrte mich an, weitete die Augen, nahm meine Hände, fuhr über die Finger, einzeln, und sagte leise, aber bestimmt: „Fünf Sprachen fließend. Gleitend, sollte man eher sagen. Fingersprache sollte man unbedingt mitzählen.“
Ich spürte, wie mir das Blut in den Kopf schoss.

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