Roy das Rohr

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Roy das Rohr

Roy das Rohr

Sabrina Loos

Langsam erwachte ich. Gleißendes Licht fiel über das Laken.
Nach und nach fiel mir alles wieder ein. Hektisch wischte ich über mein Smartphone und besah mir die Bilder. Oh nein! Dieses Ding war in meiner Möse??? Kein Wunder, dass sie völlig wund ist.
Ein Typ mit Glatze, um die Fünfzig, präsentierte mir seinen nackten Körper inklusive Pferdeprügel. Ich sag mal, mindestens vierzig Zentimeter, ohne Scheiß! Roy das Rohr! Ein Wunder, dass er mich nicht von innen gepfählt hat…
Ich betete zu Gott, dass er uns nicht dabei gefilmt hat und mich womöglich irgendwann mit den Bildern erpresst. Dass ich Kohle habe, weiß er ja aus der Zeitung… Okay, Bernard würde es vermutlich nicht stören, aber was wäre mit Michel? Ganz zu schweigen von Rasul…
Besser, ich tauchte erneut unter meiner Burka ab. Hörte das eigentlich nie auf?

Ich setzte mich ans Seine-Ufer und tunkte meine Zehen ins Wasser. Ah! Herrlich! Ich schmiedete einen Plan:
Ich musste Michel finden. Da ich nicht wusste, wo er wohnt, würde mir nichts anderes übrigbleiben, als so lange durchs chinesische Viertel zu streifen, bis ich ihn gefunden hätte. Dazu war eine Burka genau die richtige Verkleidung.
Ich hätte es im Chez Gladines, einem charmanten, baskischen Restaurant, in der Rue de cinq Diamants versuchen können. Aber dafür kam ´ne Burka nicht in Frage. Ich überquerte den Boulevard Blanqui. Kurz dahinter begann ein kleines Stadtwäldchen, auf das ich entschlossen zusteuerte. Nach einer Weile drehte ich mich um und sah, dass mich jemand hartnäckig verfolgte. Es war ein Araber. Das hatte mir gerade noch gefehlt, wo ich ohnehin wund war. Meine Hoffnung bestand darin, dass aufgrund des nahen Schwimmbades zu viel Betrieb herrschen würde. Ich hatte Glück.
Ich setzte mich auf eine Bank im Schatten. Das tat gut. Leider war Michel nirgends zu sehen. Was sollte ich nur tun?
Gegenüber des Parks gab es zwei Französische Restaurants, wo man sicher gut speisen könnte. Wie gerne würde ich dies mit Michel tun. Ich könnte wetten, dass er hier verkehrte. Aber mit ´ner Burka brauchte ich mich hier nicht blicken lassen.
Eine plötzliche Eingebung flüsterte mir ein, dass er in dem Hochhaus da drüben lebte, und zwar in einem geräumigen Appartement ziemlich weit oben. Da er unter polizeilichem Schutz stand, braucht ich nicht darauf zu hoffen, seinen Namen auf dem Klingelschild zu finden. Es war wohl besser, meine Verkleidung aufzugeben und ihm als die zu begegnen, die ich war. Was sollte mir schon groß passieren, außer, dass er mich womöglich abwies?
In der kommenden Woche schlich ich regelmäßig in seinem Viertel umher, bekleidet mit einer unauffälligen Jeans und einem koketten Blüschen. Endlich hatte ich Glück. Er kam direkt auf mich zu, den Kopf gesenkt.
„Michel! Was für eine Überraschung!“
„Ja.“ Traurig hob er den Kopf und sah mich an. Seine Augen schimmerten ein wenig glasig.
„Ich habe dich auf der Vernissage gesehen, Michel!“
„Oui, Claudette. Das waren sehr ungewöhnliche Bilder. Ich muss schon sagen, du hast deine Talente gut in Szene gesetzt.“
Ich war mir nicht sicher, ob er das als Beleidigung oder als Kompliment meinte.
„Danke, mon amour! Ich wünschte, du hättest mir wenigstens kurz bonjour gesagt.“
„Nun, du hast dir ja genügend Verehrer mitgebracht.“
Leider wusste ich wegen meines Blackouts nicht, wen er meinen könnte, Bernard-Henri oder womöglich den Pferdeprügel-Hengst mit der Glatze. Also murmelte ich nur vage:
„Oh, Michel! Liebster!“
Anscheinend erreichte ich die gewünschte Wirkung.
„Ich würde dich gern zum Essen einladen. Da drüben vielleicht?“
Das lief ja besser als erhofft. Ich strahlte ihn an. Entschlossen nahm ich seine Hand, die er prompt in meiner streichelte. Das waren viel intensivere Lustgefühle, als sie mir jeder noch so dicke Schwanz verschaffen könnte.
Michel führte mich ins La Touraine. Man kannte ihn hier und begrüßte ihn sehr zuvorkommend. Glücklich sah ich ihn an.
„Du hast mir so gefehlt!“
„Ich weiß, mein Liebes. Du hast mir ebenso gefehlt.“
„Ist das wahr?“
Michel nickte. Dankbar streichelte ich seine Hand. Dann kam der Garcon mit einer Flasche Chablis und zwei Gläsern.
Ich entschied mich für den Avocadosalat mit Garnelen.
„Und du, Michel? Wie immer?“
Er nickte.
„Also dann, sante´, me dame!“
Der Kellner verschwand und wir stießen an.
„Michel! Ich würde dich so gerne küssen!“
Scheu sah er zu Boden.
„Ein wenig später vielleicht.“
Ich erzählte ihm, dass ich mich für eine Weile in Marrakesch vor den Papparrazzi versteckt hatte. Meine orientalischen Sex-Abenteuer ließ ich aus, auch Rasul erwähnte ich mit keiner Silbe. Ich war überrascht zu hören, dass er die maghrebinische Küche schätzte. Dann kam seine Foie Gras.
Wir plauderten angeregt und im Handumdrehen war die erste Flasche leer. Schwups, brachte die Bedienung eine neue. Meine Hoffnungen auf sexuelle Aktivitäten schrumpften. Naja.
Zum Abschied küsste er mich so sanft auf den Mund, wie nur er das konnte.
„Und? Sehe ich dich wieder?“
„Ich weiß nicht. Vielleicht bist du besser dran mit Bernard.“
Dann entschwand seine traurige Gestalt in die Nacht. Ich weinte. Es war zwar nicht so gelaufen, wie ich es erhofft hatte, aber es war allemal besser, als von Roy dem Rohr gepfählt zu werden.

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