Ruth - Der Phoenix

Geschichten vom Anfang der Sehnsucht

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Ruth - Der Phoenix

Ruth - Der Phoenix

Stayhungry

Wir waren aufs Land gefahren, in eine dieser Discotheken, in denen die Zeit in den frühen Achtzigern stehen geblieben ist. Ein windschiefer Anbau an irgendeinem Landgasthaus, innen kein aktueller Multimedia-Schnickschnack, nur die erste Generation von frequenzgesteuerten Lichtanlagen, das Mobiliar billiger, überwiegend ruinierter Plüsch. Egal, man kam fast nicht zur Tür rein, so voll war es, viele Gesichter aus dem Nachtleben der Stadt, altersmäßig von Teenies bis Anfang dreißig, die Luft rauch- und schweißgeschwängert, die Musik allseits bekannte Klassiker und versteckte Juwelen aus drei Jahrzehnten.

Sie hatte hierher gewollt, denn es war der Treff ihrer Clique, ich, mehr als zehn Jahre älter, stand etwas abseits, ohne mich wirklich verloren zu fühlen, hatte selbst Jahre zuvor mit meiner Band hier ein paar Mal gespielt. Die Musik war meine bevorzugte Richtung, gut ausgesucht, das Gewühl der Menschen, ihre Ausgelassenheit, dieses pulsierende Leben verlängerte den Tag durch die Nacht in den Morgen. Obwohl der Ausgang offen war, fühlte ich eine angeregte Zufriedenheit, keinerlei Müdigkeit, sondern Kraft, Lebensenergie.

Es lief nicht so zwischen uns, obwohl wir uns verstanden, als wären wir füreinander geboren, ihre Traurigkeit konnte ich nicht trösten und ihr Geheimnis blieb mir ein Rätsel. Im Gewühl der Menschen betrachtete ich sie, hier war sie glücklich, feierte ihr Leben, das so viele Tränen in einsamen Stunden kannte, ihr zuzusehen war fast mehr Genuß, als mit ihr dort mittendrin zu sein.

Da war plötzlich dieses Lied, unser Lied, und mit den ersten Klängen bewegte sich ihr Blick ruckartig in meine Richtung. Wie versteinert stand sie in der wogenden Meute, unsere Augen drangen ineinander in einem ewigen Moment, das erste Mal in meinem Leben spürte ich ganz bewußt diese Gewissheit: ich weiß, das Du weißt, dass ich weiß!

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Gedichte auf den Leib geschrieben