Sie lächelte in Gedanken versunken.
Die Erinnerung an das entsetzte Gesicht ihres Chefs, als er, zum zweiten Mal in dieser Nacht so unsanft aus seinem Schäferstündchen gerissen, inmitten eines riesigen Polizeiaufgebots in der Firma aufgetaucht war und sie ihm von dem Verlust der, so sorgsam abgezwackten „Reserve-Kasse“ berichten musste, versüßte ihr dieses Nichtstun noch mehr.
Fast genauso sehr, wie die Tatsache, dass ihn der Mutterkonzern nach der umfassenden Kassenprüfung, die auf den Überfall erfolgt war, umgehend entlassen und gleichzeitig gegen ihn Strafanzeige wegen Veruntreuung von Firmengeldern erstattet hatte. Sein Versuch, Lea die Unterschlagung in die Schuhe zu schieben, war kläglich gescheitert. Schließlich war ja nur ein einziges Flugticket auf seinen Namen nach Rio gebucht worden und das Gekrakel auf dem Auszahlungsbeleg, dass angeblich ihre Unterschrift darstellen sollte, hatte beim besten Willen keinerlei Ähnlichkeit mit ihrer ansonsten so gestochen scharfen Signatur.
Versonnen blätterte sie in den Unterlagen vor sich und entschied, dass sie sich noch einen oder zwei Tage Zeit lassen konnte, bevor sie das Angebot ihrer Firma, seinen Posten zu übernehmen, annehmen würde.
Ein Schatten fiel über sie und sie hob den Kopf.
Da der Mann die Sonne im Rücken hatte, musste Lea eine Hand vor die Augen heben und benötigte einem Moment, um eine kurze Bestandsaufnahme machen zu können.
Groß, breitschultrig, dunkelhaarig mit leicht ergrauten Strähnen, gepflegter kurzgetrimmter Vollbart, kantige Gesichtszüge, charmantes Lächeln, kräftige gepflegte Hände, teurer Anzug und schmale goldene Brille.
Bingo! Lea lächelte einladend.
„Kann ich ihnen helfen?“
Er deutete eine Verbeugung an und wies auf den freien Platz am Tisch.
„Aber sicher. Dürfte ich mich zu ihnen setzten?“
Lea erstarrte, als sie seine Stimme hörte. Unfähig, ihm eine Antwort zu geben, deutete sie nur mit der Hand auf den Stuhl und nickte. Erst, nachdem er Platz genommen, bei der Kellnerin einen Espresso bestellt und sich ein dünnes, schwarzes Zigarillo angezündet hatte, fand sie ihre Sprache wieder.
„Sollten wir uns möglicherweise kennen?“
Er grinste verschmitzt.
„Nicht so, wie man es auf konventionelle Art versteht. Aber das versuche ich gerade zu ändern.“
Lea fuhr sich nervös mit der Zungenspitze über die trockenen Lippen. Der Klang seiner Stimme verursachte ihr eine Gänsehaut und sie rieb sich fahrig über die nackten Arme.
Die Bedienung brachte seine Bestellung und er trank genüsslich von seinen Espresso, bevor er weitersprach.
„Es wäre mir ein Vergnügen, wenn ich sie zum Essen einladen dürfte. Um“ er blinzelte ihr zu „unsere Bekanntschaft ein wenig zu vertiefen.“
Dann erhob er sich, ergriff ihre Rechte und drückte seine Lippen auf die Innenseite ihres Handgelenks, so dass ihr ein warmer Schauer über den Rücken lief.
Er überreichte Lea seine Karte. „Ich würde mich sehr freuen, wenn sie sich entschließen könnten, mich anzurufen. Und noch viel mehr, wenn sie meine Einladung annehmen würden. Ich denke, wir haben einiges zu besprechen.“
Wie vom Donner gerührt starrte sie ihm nach, bis er in der Menge verschwunden war.
Schließlich fiel ihr Blick auf seine Visitenkarte und sie brach in schallendes Gelächter aus.
Wolfgang Berger
Geschäftsführer
Berger & Sohn - Securitas GmbH
Alarmanlagen und Tresore
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