Schreibtisch

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Zina Straudt

Na, war ja klar, dachte Judith.
Natürlich konnte der Löwe die Schlussbesprechung nicht in dem eleganten, und für jemand, der mit einer verflucht schweren Aktentasche bepackt war, viel günstiger zu erreichenden Konferenzraum im Erdgeschoss abhalten. Nein, er ließ es sich nicht nehmen, sie die drei Stockwerke kreuz und quer durch dieses vermaledeite alte Gemäuer hinauf bis in sein Büro antraben zu lassen.
Keuchend nahm sie die letzte Treppenstufe und stellte kurz ihren Aktenkoffer auf dem letzten Absatz ab, um ihre schmerzende Hand zu reiben.
Auch dafür würde er büßen, dass schwor sie sich.
Seit drei Wochen lieferten sie sich einen Grabenkrieg der besonderen Art und heute würde sie ihm den Gnadenstoß versetzen!
Drei lange Wochen hatte sie das Unterste zu Oberst gekehrt, sich durch Berge von unwichtigen Müll bis zu den Filetstücken vorgegraben, ihn mit bohrenden Rückfragen traktiert und ihn mit ihrem herablassenden, ihn zur Weißglut treibenden „das-kannst-du deiner-Oma-erzählen“ Lächeln bedacht, wenn er versuchte, sie mit langatmigen Anekdoten aus dem Konzept zu bringen oder mit einem Wust von Fachchinesisch zu verwirren.
Am Anfang hatte er noch versucht, sie mit Freundlichkeit und Höflichkeit zu bestechen, hatte ein wenig geflirtet und Judith wäre unter anderen Umständen bestimmt gerne auf seine Avancen eingegangen. Immerhin war er ein sehr attraktiver Mann, groß, schlank und, soweit sie es unter seiner stets schwarzen Kleidung erahnen konnte, mit einem durchtrainierten Körper.
Aber die Umstände waren nun einmal so, wie sie waren und schließlich, als er feststellen musste, dass sowohl sein Charme wie auch seine anschließende Sturheit und Überheblichkeit völlig an ihr abprallten, hatte er sich damit begnügen müssen, ihr den Aufenthalt in seinem Reich so unangenehm, wie es ihm eben möglich war, zu gestalten.
So hatte sie ihre Zeit eingepfercht in einem muffigen Kabuff im Keller verbracht und war mit Bergen von Altpapier zugemüllt worden. Der Kopierer war angeblich immer ausgerechnet dann defekt, wenn sie Duplikate benötigte und der kredenzte Kaffee war bitter und abgestanden. Die Wortgefechte, die sie sich mit ihm geliefert hatte, waren im Verlauf der Wochen immer hitziger geworden und mittlerweile war sie sich sicher, dass er seinen Spitzname deshalb erhalten hatte, weil die negativen Eigenschaften seines Sternzeichens bei ihm so ausgiebig zu Tage traten.

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