Schuld und Sühne

Nach dem großen Sterben – Teil 15

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Schuld und Sühne

Schuld und Sühne

Reinhard Baer

Linda ging Wasser an dem nahgelegenen Bach holen. Da das Gelände bretteben und gut einsehbar war, drohte dabei keine Gefahr. Sie konnte alleine gehen.
Kaum war sie außer Hörweite brach Jill schluchzend zusammen: „Ich … ich … bin Schuld ... Ich bin eingeschlafen.“
Ich nahm sie in den Arm. „Sch ... Sch ... Sch ... beruhige dich Kleines. Ich bin bei dir.“ Ich hatte mir das schon gedacht, denn anders war es nicht zu erklären, dass eine Herde von so vielen Donalds – 18 hatten wir heute Morgen gezählt – plötzlich überraschend im Lager standen. „Es ist passiert, deine Selbstanklage macht Ellen nicht wieder lebendig. Behalte das bitte für Dich. Mache es Linda nicht noch schwerer als es schon ist.“
Sie hielt sich daran, aber ich sah, dass es gewaltig an ihr nagte!
Da wir keine Lust hatten die Überreste von 18 zum zweiten Mal Verstorbenen zu beerdigen, gaben wir lieber unseren Lagerplatz auf und zogen weiter.

Sühne

Über diese Nacht in der sich alles änderte sprachen wir in den nächsten Tagen nicht mehr, bis zu jenem Abend ein paar Tage später. Linda saß am Lagerfeuer und hielt Wache. Jill weckte mich, nach dem ich gerade eingeschlafen war. „Ich kann nicht schlafen!“ flüsterte sie.
„Ja, das merke ich,“ entgegnete ich leicht genervt und ebenso leise, „und was soll ich machen, dich bewusstlos schlagen?“
„Ich habe nachgedacht…“
Oha, ich war gespannt. Was kam jetzt? Wenn Frauen ein Gespräch schon so eröffnen.
„Linda hat jetzt keine Familie mehr, ... und … und ... ich habe die Schuld daran ...“
“Jill, …“, fiel ich ihr ins Wort, wollte diese Selbstanklage unterbinden.
„Lass mich aussprechen! Ich habe Schuld und das macht mich fertig. Ich würde mich besser fühlen, wenn wir jetzt ihre Familie wären…“
„Wie jetzt, Familie?“, ich war verwirrt.
„Na, so mit allem halt. Du und ich und Linda.“
Im Schein der Gaslampe sah ich, dass sie mich mit ihren großen Kulleraugen anguckte. Meine Güte! Die meinte das Ernst! … Diese Entwicklung überraschte mich total. Innerlich rührten sich natürlich sofort meine niedersten Instinkte: ‚Geil! Sag Jaaaa!‘
Äußerlich gab ich mich zugeknöpft: „Ich weiß nicht … ob das eine gute Idee ist? …, lass mich eine Nacht drüber schlafen, dann sehen wir weiter.“ Damit drehte ich mich auf die Seite. Das Gespräch war beendet. Meine Gedanken fuhren noch lange Karussell, bis ich endlich einschlief.
Das erste was ich morgens sah, als ich die Augen aufschlug war Jill, die sich über mich beugte.
„Und?“ Erwartungsvoll schaute sich mich mit ihren großen braunen Augen an, wie ein angefahrenes Reh.
„Was und? … Ach das… Wenn du das so willst, …. versuchen wir‘s Hase.“
„Danke“, sie küsste mich bestimmt 10 Mal auf Mund, Nase, Stirn, einfach überall hin. „Ich spreche nachher mit Linda.“

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