Die schweigsame Frau

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Die schweigsame Frau

Die schweigsame Frau

Yupag Chinasky

Und wieder durchpflügen sie zielstrebig das Chaos, sie voran, er in geringem Abstand hinter ihr, ein folgsamer Schoßhund. Das Hotel, das sie schließlich betritt, steht in deutlichem Kontrast zu dem Restaurant. Es ist eine einfache Absteige, ein Stundenhotel der billigeren Sorte. Der Portier scheint sie zu kennen, er gibt ihr unaufgefordert einen Schlüssel und sagt, in seine Richtung gewandt, das Zimmer koste fünfzig Dollar. Für zwei Stunden, fügt er hinzu. Es erscheint ihm viel, aber er zahlt und lässt sich noch zwei Dosen Bier geben. Sie ist schon voraus gegangen und er muss den mürrischen Portier nach der Zimmernummer fragen. Sie hat den Fernseher eingeschaltet, widmet aber der Soapoper keinen Blick. Wortlos verschwindet sie im Bad. Er legt sich auf das Bett, trinkt ein Bier und wartet. Es dauert eine Ewigkeit, bis sie, mit dem Badetuch umwickelt, wieder auftaucht. Die Haare sind noch nass, der Gesichtsausdruck etwas gelöster, nicht mehr so streng abweisend, ein leises Lächeln liegt auf ihren vollen Lippen. Sie kramt in ihrer Handtasche nach Zigaretten, zündet sich eine an und sagt - money. Er gibt ihr fünfzig Dollar, sie nimmt sie, verstaut sie in ihrer Handtasche und streckt nach kurzem Zögern ihre Hand erneut fordernd aus. Ein weiterer Schein wechselt den Besitzer. Als die Zigarette zu Ende geraucht und das zweite Bier ausgetrunken ist, deutet sie an, dass er sich ausziehen solle. Sie betrachtet ihn eingehend, als er nackt vor ihr steht, macht aber keinerlei Anstalten ihr Badetuch abzulegen. Schließlich fordert sie ihn mit einer weiteren Geste auf, sich hinzulegen. Dann geht sie zur Tür und löscht die Deckenlampe. Es ist dunkel, durch das Fenster scheint das Licht der Straße und er sieht schemenhaft, wie das weiße Tuch endlich auf den Boden fällt. Dann liegt sie neben ihm, stocksteif, ohne sich zu bewegen.

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