Schwerelos / Völlig losgelöst

3 12-19 Minuten 0 Kommentare
Schwerelos / Völlig losgelöst

Schwerelos / Völlig losgelöst

Bernhard Kempen


Langsam verglühten die Trümmer der Supernova und kristallisierten wieder zu zwei unterscheidbaren Körpern, von denen einer Julie und der andere ich war. Wir hielten uns immer noch fest umschlungen - andernfalls hätte uns die Druckwelle zweifellos auseinandergerissen. Obwohl ich mich überhaupt nicht bewegt hatte, fühlte ich mich völlig ausgepumpt. Ich bin überzeugt, daß ich Julie wie eine Kanonenkugel an die nächste Wand katapultiert hätte, als mein Triebwerk zündete.
Allmählich erholten wir uns von der kosmischen Ekstase und lösten uns voneinander. Fasziniert sah ich zu, wie mein verausgabter und deutlich geschrumpfter Schwanz aus Julies Möse glitt - ganz leicht, fast ohne Reibung. Auch nachdem ich ganz heraus war, blieben wir noch einen Moment länger verbunden, weil sich ein dünner Spermafaden bildete, der immer länger und dünner wurde, bis er schließlich zerriß und zu einer Reihe träge auseinandertreibender Tröpfchen kondensierte. Die Spur markierte noch lange die zwei Endpunkte, die vor kurzem so innig miteinander vereint waren.
Bis Julie und ich kurz nacheinander gegen die Wandpolster prallten.
Ich ließ mich widerstandslos zurückschleudern, während sich Julie träge zur Schalttafel neben der Tür hangelte und auf einen Knopf drückte. "Gleich hat die Erde uns wieder", sagte sie seufzend.
"Ich hoffe, du hast das Ding auf eine weiche Landung eingestellt!" erwiderte ich.
"Keine Sorge, wir werden sanft wie Federn zu Boden schweben", versprach Julie.
Doch zunächst einmal tat sich gar nichts. Nachdem eine ganze Minute vergangen war, runzelte Julie die Stirn.
"Bist du sicher, daß du ..." begann ich, doch ich kam nicht dazu, meine Frage zu vervollständigen. Denn im nächsten Moment wurden wir ziemlich unsanft gegen die Polster geschleudert, und diesmal gab es keinen Rückprall. Die Erde hatte uns in der Tat wieder - auch wenn sich die Dinge etwas anders verhielten, als Julie gedacht hatte. Sie irrte sich auch, als sie vermutete, daß die Automatik, die für eine behutsame Rückkehr der Schwerkraft sorgte, ausgefallen war. Sie hatte tadellos funktioniert.
Das Problem lag ganz woanders - wie wir feststellten, als wir die Tür des Antigravitationsraums öffneten. Denn da draußen erstreckte sich keineswegs der geschmackvoll eingerichtete Korridor in Julies Apartment - sondern ein grüner Rasen mit einem liebevoll angelegten Garten und einem wohnlichen Häuschen. Und vor dem Häuschen eine Handvoll Leute, die verdutzt zusahen, wie ein splitternacktes Pärchen aus dem klobigen Ding stieg, das in ihrem Vorgarten gelandet war.
Nein, wir waren keine Außerirdischen, und das Ding war auch nicht unser UFO, sondern eine AG-Einheit, die nicht fachmännisch verankert worden war, so daß sie beim leichtesten Windhauch genauso schwerelos wie die ahnungslosen Insassen davongeweht werden konnte. Es war schon recht peinlich, als die Luftpolizei uns nach allen Einzelheiten dieses Vorfalls ausfragte, aber falls Julie irgendwann wieder einmal Lust hat, mit mir abzuheben, werde ich trotzdem nicht nein sagen.

Klicke auf das Herz, wenn
Dir die Geschichte gefällt
Zugriffe gesamt: 2147

Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.

Gedichte auf den Leib geschrieben