I.
"Soll das heißen, Du hast seit drei Jahren mit keiner Frau mehr geschlafen?"
Sabine guckte ihren Bruder Axel ungläubig an.
Es stimmte. Vor drei Jahren hatte er sich von Bea getrennt, zumindest was Tisch und Bett betraf. Seither hatten sie versucht eine Art Freundschaft aufzubauen, oder doch wieder eine neue Beziehung? Wer wußte das schon ganz genau, zumal am Ende weder das eine, noch das andere daraus wurde. Jetzt hatten sie den Kontakt endgültig abgebrochen.
Endlich, wie Sabine fand. Sie jedenfalls konnte dem ewigen Hin und Her zwischen Bea und ihrem Bruder schon lange nicht mehr folgen, es nicht verstehen, es nicht einmal mehr nachvollziehen. Die beiden konnten, warum auch immer, nicht miteinander. Aber ohne einander konnten sie schon gar nicht. Viele zermürbende und tränenreiche Stunden hatte Sabine sich damals erst von beiden gemeinsam, dann auch immer wieder einzeln, die verzwickte Beziehungskiste erklären lassen. Es half alles nichts. Letztendlich und offensichtlich blieb wohl nur eine konsequente Trennung als Lösung.
Natürlich hatte auch Sabine mitbekommen, daß Axel seither keine neue, feste Beziehung eingegangen war. Aber wie selbstverständlich war sie davon ausgegangen, daß ihr Brüderchen sich seine gelegentlichen Vergnügungen gönnen würde. Erst jetzt, da er mal wieder bei ihr, in ihrem ehemaligen gemeinsamen Elternhaus, zu Besuch war, hatte sie ihn konkret danach gefragt. Es war keine besondere Frage, zwischen den beiden Geschwistern gab es von Kindesbeinen an ein enges Vertrauensverhältnis.
Nur die Antwort empfand Sabine als unglaublich und drückte dies mit dem Ton ihrer nächsten Frage deutlich aus.
"Wie soll das gehen? Ich werde schon nervös, wenn sich drei Wochen nichts tut, aber drei Jahre?"
Das Fragezeichen stellte sie imaginär, aber mit besonderer Größe, in den Raum.
"Du, Du nimmst ja auch alles, was nicht rechtzeitig auf die Bäume kommt, egal, ob Männlein oder Weiblein!"
Was durchaus als beleidigend hätte empfunden werden können, war von Axel weder so gemeint, noch wurde es von seiner Schwester so aufgefaßt. Das war er, der ebenso harte wie herzliche Umgangston, den die beiden immer wieder und gerne miteinander pflegten. Dabei gehörten Sex und Erotik schon seit Jugendtagen besonders zu Sabines Lieblingsthemen. Ihrer festen Überzeugung nach war dabei alles erlaubt, was erwachsene Menschen freiwillig und gerne miteinander taten. Und genausogerne sprach Sabine darüber. Nicht mit Jan und Allemann, aber mit Partnern und auch mit Freunden. Besonders gerne aber mit ihrem Bruder. Nicht, weil sie keinen anderen Menschen so lange und gut kannte, sondern insbesondere, weil alle theoretischen Erörterungen dieses Themas mit ihm niemals praktische Konsequenzen haben würden. Die Erotik zwischen ihnen konnte immer nur rein verbal sein. Das gab ihr einerseits einen besonderen Kick, andererseits konnte sie ihrem Bruder gegenüber wesentlich tabuloser sein, als bei jedem anderen Menschen. Kleine, schmutzige Details, Gedanken und Phantasien, die sie sonst -bei aller Offenheit- doch lieber bei sich behielt, ihm konnte sie davon erzählen.
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