Seilhüpfen

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Anita Isiris

Diesmal waren keine Lachfalten auszumachen im zeitlosen Gesicht der Schulleiterin. "Wir sehen uns um 21.30 Uhr im Arrestzimmer", sagte sie mit schmalen Lippen und wies Clara zurück an ihren Platz. Die andern Mädchen blickten ernst zu ihr auf; Schadenfreude war nirgends auszumachen. Trotz nagendem Hunger brachte Clara keinen Bissen hinunter vom herrlichen Abendessen, das endlich aufgedeckt wurde. Gedämpfte Broccoli an einer Sauce, wie nur Emma Lieberkäs sie zu stande brachte, wurden den Mädchen geboten – mit einem zart gebratenen Lammspiess. Als Nachspeise gab es Vanilleeis mit Preiselbeeren. Die Stimmung hatte sich gelöst; die jungen Frauen kicherten wieder und schlürften den Holundersirup, der in Uphill seit Jahrzehnten hergestellt wurde. Clara kam sich unwirklich vor – als würde sich um sie herum ein Film abspielen. Sie sah das lachsfarbene Zimmer, das auf sie wartete, genau vor sich. Gegen 21.00 Uhr leerten sich die Reihen; Clara diskutierte ein paar belanglose Dinge mit ihren Freundinnen Lisa und Vera. Ganz am Schluss sagte Vera etwas, das Claire nicht aus dem Kopf ging. "Es wird nicht so schlimm, vielleicht sogar angenehm…" Sie strich Clara über die Schulter und verschwand im dunkler werdenden Park. Clara nahm sich nun doch ein paar Kekse, schlürfte nachdenklich an einem Glas Hagebuttentee und beobachtete den Zeiger der alten Standuhr in der Ecke. Dann machte sie sich auf den Weg zum Arrestzimmer. Der Raum war nur knapp beleuchtet. Clara war noch nie da gewesen, hatte lediglich nach der Renovation einen neugierigen Blick hineingeworfen. Mitten im Zimmer stand ein Bock. Weitere Möbel waren nicht zu sehen. Clara blieb im Türrahmen stehen, als sie hinter sich Schritte hörte. "Treten Sie doch ein, Clara Zadina", hörte sie die Stimme der Schulleiterin hinter sich.

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