Selina stottert

Der Therapeut

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Selina stottert

Selina stottert

Anita Isiris

«Nun denn. Bald ist 17:00 Uhr. Noch eine letzte Patientin für heute. Die Hübscheste von allen. Und die Jüngste. Selina. Sie hat ein Problem. Sie stottert.  Mal sehen, was sich heute machen lässt. Ich lüfte schon mal den Raum; der Tag war anstrengend. Mannomann. Jeden Moment kommt sie zur Tür rein, die geile Kleine. Obwohl… ich bin Arzt. Ich darf never ever so über meine Patientinnen denken. Never ever. Ich verbiete es mir. Obwohl – die nächste Sitzung wird entspannt. Sehr entspannt. Ich habe mir etwas ausgedacht für die stotternde Selina. Ein etwas besonderes therapeutisches Setting, klar. Nicht unbedingt evidenzbasiert. Aber es könnte ihr helfen.»

«Oh mein Gott – ich bin so nervös. Schon fast ist es so, dass ich sogar beim Nachdenken stottere. Ich war noch nicht so oft bei Dr. Jeanrenaud. Noch nicht so oft. Aber ich finde ihn sympathisch – obwohl ich Männern normalerweise misstraue. Aber er hat so etwas… Erfahrenes, Ruhiges. Ob er mir wirklich helfen kann? Letztes Mal war ich wegen einer Verspannung bei ihm. Seine Lendenmassage hat mir sehr gut getan. Mein Unterleib war mit einem Mal so warm… so weit wollte ich es nicht kommen lassen, eigentlich. Dr. Jeanrenaud ist schliesslich mein Therapeut – nicht mein Lover.»

«Ich höre Schritte im Treppenhaus. Meine Praxis ist zwar gut isoliert – mit gutem Grund. Aber ich habe ein feines Gehör – das ist in meiner Profession etwas ungemein Wertvolles. Zuhören und hören. Meine Hauptbeschäftigung. Mal abgesehen davon, dass ich gerne mit meinen Händen, und, ja, unter uns gesagt, auch mit meinem Schwanz… arbeite. An und in meinen Patientinnen. Wenn bloss die Krankenversicherung nie erfährt, wie und womit ich heilend unterwegs bin. Oh mein Gott… Selina hat sich wohl hübsch gemacht für mich. Sie machen sich alle hübsch. Sie duften nach Veilchen, die Frauen, das Haar frisch gewaschen, und die Unterwäsche meiner Patientinnen… Oh là là… neueste Pariser Mode nicht unbedingt. Aber irgendwie… am Liebsten mag ich weinrot und dunkelgrün. Was führt Dich denn heute zu mir, Selina?»

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