Silvestermärchen

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Silvestermärchen

Silvestermärchen

Andreas

„Geht es ihnen nicht gut? Kann ich ihnen vielleicht irgendwie helfen?“ Ansgar hob den Kopf, der auf seine Brust gesunken war. Eine Frau stand vor ihm, die mitleidsvoll auf ihn hinabsah. Sie trug eine moosgrüne Bommelmütze, dazu Schal und Parka in derselben Farbe. Die schwarzen Haare flossen unter der Mütze hervor, reichten ihr weit über die Schultern, die trotz der dicken Winterjacke sehr schmal wirkten. Ansgar wollte sie erst unwirsch anblaffen, aber irgendetwas hielt ihn davon ab.

„Mir kann keiner helfen, und gut geht es mir auch nicht!“, sagte er traurig. Die Frau streckte ihm ein brennendes Streichholz entgegen, das sie mit ihrer Handfläche vor dem Wind schützte. Ansgar fiel jetzt erst ein, dass er ja noch die Zigarette im Mundwinkel hatte. Sein Gesicht näherte sich ihrer Hand an, die ganz leicht nach Fichtennadeln duftete. Ansgar sog den Rauch in seine Lungen, blies ihn dann in den sternenklaren Nachthimmel. Die junge Frau, er schätzte sie auf maximal Mitte Zwanzig, setzte sich zu ihm auf die Parkbank. Ansgar wunderte sich. Warum gab sie sich mit einem angetrunkenen Kerl ab, der seine guten Jahre längst hinter sich hatte, noch dazu in der Silvesternacht?

„Du solltest nicht so viel trinken, Ansgar! Das macht es nämlich auch nicht besser…“
Er sah sie entgeistert an. Woher kannte sie seinen Namen? Ansgar war sich sicher, diese Frau nie zuvor gesehen zu haben. Ihre Stimme klang angenehm weich, ähnelte einem melodischen Singsang.
„Was soll ich denn deiner Meinung nach tun? Vor Freude jubilierend durch den Park rennen?“
Sie lachte ein glockenhelles Lachen, wie er es noch nie gehört hatte. Hatte er sich den Verstand weggetrunken? Quasi den Kragen abgesoffen, wie man in seiner südbadischen Heimat sagte.
„Das wäre bestimmt besser, als in Selbstmitleid zu ertrinken! Willst du mitkommen, Ansgar? Ich wohne ganz in der Nähe. Du könntest dich aufwärmen und eine Kleinigkeit essen. Magst du?“

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