Silvestermärchen

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Silvestermärchen

Silvestermärchen

Andreas

Der Jahreswechsel ist eine beschissene Zeit, wenn die besten Tage hinter einem liegen. Ansgar kickte die Bierdose über den Asphalt, die er soeben ausgetrunken hatte. An diesem Silvesterabend fühlte er sich besonders mies. Karen hatte ihm gestern verklickert, dass es endgültig vorbei war. Game over! Karen war seine große Liebe gewesen, war es im Grunde noch immer. Sie war zwölf Jahre jünger als er, aber das schien nie ein Problem zu sein. In diesem ausklingenden Jahr hatte sich alles verändert. Karen kritisierte ihn ständig, warf ihm vor, er würde sie um ihr Leben betrügen. Sie war im Frühjahr 28 geworden, redete immer öfter davon, eine Familie gründen zu wollen. Ansgar ging kaum darauf ein, fühlte sich mit seinen 40 Jahren zu alt dafür. Er wollte seine Ruhe haben, keine zusätzliche Verantwortung übernehmen. Karen kapselte sich immer mehr von ihm ab, bis sie ihm gestern Abend mitteilte, dass sie ihn verlassen würde. Er konnte sie nicht umstimmen, als sie ihre Reisetasche packte. Karen sagte ihm nur noch, dass sie ihre restlichen Sachen im neuen Jahr abholen wollte. Ansgar betrank sich hemmungslos. Seit gestern Abend wankte er von einer Kneipe zur nächsten.

Er trank nur gelegentlich, daher wirkte der Alkohol verheerend auf ihn. Ansgar hatte dazu kaum geschlafen, sich nach dem Aufstehen gerade mal eine Tasse Kaffee und ein Brötchen gegönnt. Sein Zustand war dementsprechend, als er sich kurz nach 21 Uhr auf die Parkbank setzte, oder besser gesagt, auf sie fallen ließ. Er zitterte eine Zigarette aus der zerdrückten Packung, steckte sie zwischen die trockenen Lippen. Ansgar kramte in seiner Hosentasche, suchte sein Feuerzeug. Er fluchte laut, weil er es nicht gleich finden konnte. Als er es endlich in der Hand hielt, um die Zigarette anzuzünden, versagte das Einwegfeuerzeug seinen Dienst. Wütend schmiss er es auf die Steinplatten, auf denen bereits allerlei Müll lag. Es würde eine kalte Nacht werden an diesem 31. Dezember. Ansgar fror in seiner leichten Daunenjacke. Er verschränkte die Arme vor der Brust, stampfte mit den Füßen auf den Boden. Ein Käuzchen schrie irgendwo. Es klang wie Hohn in seinen Ohren.

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