Die Winternacht war kalt und klar. Eiskristalle hatten sich gebildet, und in der Luft lag dieser ganz spezielle Duft nach Kaminfeuerrauch, Zimt und Schnee. Simone wärmte sich an ihrem kleinen Elektro-Ofen. Ihre Erdgeschoss-Wohnung verfügte über kein Cheminée. Klar vermisste sie manchmal das Knacken des Feuerholzes, aber seit der Trennung von Olaf war sie zu Bescheidenheit gezwungen. Schlecht ging es ihr nicht, der Simone, aber da fehlten diese gewissen Extras, die das Leben ausmachen.
Mal andere Klamotten als immer nur H & M, Stiefeletten von Pasito, einen passenden Triumph-BH, der nicht einschnitt, und Weihnachtsleckereien. Vor allem fehlte es Simone an Zeit. Sie arbeitete als Verkäuferin fast rund um die Uhr, und mit Grausen sah sie den Festtagen entgegen, an denen die Dorfdrogerie, ihr Arbeitsplatz, bis Abends um 21:00 Uhr offen stand. Offen für wen? Nach 16:00 Uhr kamen nur noch wenige Kundinnen vorbei, allenfalls, um sich mit Perskindol, Wärmeflaschen und Derartigem einzudecken, aber zum grossen Reibach kam es in den nie enden wollenden Stunden nach 16:00 Uhr keinesfalls.
Simone seufzte und blickte sehnsuchtsvoll aufs Display ihres neu erworbenen Smartphones. „WIN A CLAUS“, war der Hit der Stunde für einsame Frauen wie sie. Mit einem Zahlenwettbewerb konnte man, an Hand eines Fotos und einer Kurzbiographie, einen Mann aussuchen. Einen Mann für die Nacht. Simone hatte sich mit Herzklopfen auf den Wettbewerb eingelassen – und gewonnen! Noch vor kurzem hätte sie sich nicht vorstellen können, sich auf eine Internet-Bekanntschaft einzulassen. Dank all den Social Media Einrichtungen war die Welt jedoch kleiner, intimer geworden. Es konnte durchaus sein, dass Frau via SMS mit dem Nachbarn gleich gegenüber Kontakt aufnahm. Oder dass das kleine Display dank einer fiesen, exakten Gesichtserkennung signalisierte, ob sich im ÖV gerade ein Typ befand, der möglicherweise zu ihr passte.
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